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Der Gandolfo-Anschlag - Ludlum, R: Gandolfo-Anschlag

Der Gandolfo-Anschlag - Ludlum, R: Gandolfo-Anschlag

Titel: Der Gandolfo-Anschlag - Ludlum, R: Gandolfo-Anschlag
Autoren: Robert Ludlum
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Franziskus, der das alles gelehrt hatte? Öffnet eure Herzen und eure Schränke für euren Nächsten, und er möge euch die seinen überlassen. Alle Menschen, hoch und niedrig, sollen begreifen, daß wir eine Familie sind. In diesen Zeiten der Mühsal und des Chaos und der hohen Preise — gibt es da einen besseren Weg, als sich den Geist des Herrn zu eigen zu machen und wahrhafte Liebe zum Nächsten zu zeigen?
    Für ein paar Tage mögen Groll und Mißgunst beiseite treten. Trennendes soll vereint werden. Möge das Wort hinausgehen in die Welt, daß alle Männer Brüder sind, alle Frauen Schwestern, alle zusammen Geschwister — und in hohem Maße jeder der Hüter seines Nächsten. Auf nur ein paar Tage möge Barmherzigkeit und Mitgefühl und Dankbarkeit die Seele eines jeden beherrschen und das Süße und das Traurige teilen, denn es gibt kein Übel, das der Macht Gottes widerstehen könnte.
    Umarmt euch, hebt euer Glas, lacht und weint und nehmt einander auf in Liebe. Die Welt soll sehen, daß man
sich nicht zu schämen braucht, wenn der Geist der Menschlichkeit frohlockt. Und sobald euch dieser Geist berührt hat, sobald ihr die Stimmen von Bruder und Schwester gehört habt, sollt ihr die süßen Erinnerungen über das Fest von San Genarro hinaustragen und euer Leben von den Prinzipien des christlichen Wohlwollens leiten lassen. Es ist möglich, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Den Lebenden obliegt es, dies zu bewirken.
    Das war die Lehre von Franziskus dem Ersten.
    Atemlose Stille legte sich über die Zehntausende auf dem Petersplatz. Jede Sekunde würde jetzt die Gestalt des geliebten Il Papa mit Kraft und Würde und großer Liebe auf den Balkon hinaustreten und die Hände zum Segen erheben. Und dann würde das Angelus beginnen.
     
    Im Inneren der hohen Vatikanräume sprachen Kardinäle, Monsignori und Priester in Gruppen miteinander, und immer wieder wanderten ihre Blicke zu der Gestalt des Papstes hinüber, der in der Ecke saß. Der Raum war von lebhaften Farben erfüllt, von Scharlachrot, Violett und makellosem Weiß. Roben und Kutten und Hüte — Symbole der höchsten Kirchenämter — schwankten und drehten sich und vermittelten die Illusion eines ständig bewegten Freskos.
    Und in der Ecke, auf dem Stuhl aus Elfenbein und blauem Samt, saß der Statthalter Christi, Papst Franziskus der Erste. Er war ein einfacher Mann, wohlbeleibt, mit den kräftigen und doch sanften Zügen eines Campagnuolo, eines erdverbundenen Mannes. Dicht hinter ihm stand sein persönlicher Sekretär, ein junger schwarzer Priester aus Amerika, aus der Erzdiözese New York. Es war typisch für Franziskus, einen solchen päpstlichen Adjutanten zu haben.
    Die beiden unterhielten sich mit leiser Stimme, und der Papst wandte seinen mächtigen Schädel. Seine großen, weichen, braunen Augen blickten ruhig zu dem jungen Priester auf.
    »Mannaggi !« flüsterte Franziskus. Seine breite Bauernpranke
bedeckte seine Lippen. »Das ist verrrückt! Die ganze Stadt wird eine Woche lang betrunken sein. Sie werden sich auf den Straßen lieben. Sind Sie sicher, daß das stimmt?«
    »Ich habe es zweimal geprüft«, erwiderte der Neger und beugte sich in ruhiger Beflissenheit vor. »Wollen Sie mit ihm streiten?«
    »Mein Gott, nein! Er war immer der Schlaueste in den Dörfern! «
    Ein Kardinal schritt auf den Stuhl des Papstes zu und neigte sich vor. »Heiliger Vater, es ist Zeit«, sagte er leise. »Die Menge erwartet Sie.«
    »Wer? Ja, natürlich. Gleich, mein guter Freund.«
    Der Kardinal lächelte unter seinem riesigen Hut. Seine Augen waren von Bewunderung erfüllt. Franziskus nannte ihn immer seinen guten Freund. »Danke, Eure Heiligkeit.« Der Kardinal entfernte sich rückwärts gehend.
    Der Statthalter Christi begann zu summen. Jetzt konnte man die Worte verstehen. »Che gelida ... manina ... a rigio esanime ... ah, la, la-laa-tra-la, la, la-laa ... «
    »Was tun Sie?« Der junge päpstliche Adjutant aus der Erzdiözese New York, Distrikt Harlem, war sichtlich erregt.
    »Die Arie des Rodolfo. Ah, dieser Puccini! Wenn ich nervös bin, hilft es mir, wenn ich singe.«
    »Lassen Sie das, Mann! Oder wählen Sie einen Gregorianischen Gesang, zumindest eine Litanei.«
    »Ich kenne keine. Ihr Italienisch wird immer besser, aber es ist immer noch nicht gut.«
    »Ich gebe mir ja Mühe, Bruder. Ist nicht ganz leicht, mit Ihnen zu lernen. Kommen Sie jetzt, gehen wir auf den Balkon hinaus.«
    »Drängen Sie mich nicht! Ich gehe ja schon. Mal sehen.
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