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Der fremde Tote

Der fremde Tote

Titel: Der fremde Tote
Autoren: Agnes Jäggi
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Grossvater zu treffen und schliesslich in den heilenden Fluss einzutauchen, um für immer erlöst zu sein. Der Arzt setzt alles daran, dem jungen Indianer bei seinem Vorhaben zu helfen. Und sie schaffen es auch.
    Raoul, der mit 28 Jahren an einer Überdosis Heroin gestorben war, mochte diese Vorstellung: „Erlösung, das wollen wir alle – befreit werden vom Schmerz der Seele und des Körpers. Darin besteht vielleicht sogar der einzige Sinn des Lebens.“

    Als meine Frani mit über zwanzig Jahren das Zeitliche segnete – sie schlummerte einfach hinüber ins andere Reich – nahm Mathilde sie bei sich auf, was ein unendlicher Trost für mich war. Nun tollt der kleine Kater Ben in meiner Wohnung herum. Korbi und Alain hatten das temperamentvolle Fellbündel aus dem Tierheim geholt und es mir geschenkt.

    Korbis Traumtheater existiert noch immer. Und zu besonderen Anlässen findet hin und wieder eine Aufführung darin statt. Henri, der Obdachlose, der Poet und Bühnendarsteller, hat sich mehr oder weniger von der Strasse zurückgezogen. „Die Kälte tut meinen Knochen nicht gut.“ Deshalb wohnt er jetzt in der ehemaligen alten Schmiede, wo Korbi ihm ein bezauberndes kleines Appartement eingerichtet hat. Frau Altenburg, Korbis Haushälterin, kümmert sich rührend um den alten Henri. Sie selber arbeitet nur noch selten als Maskenbildnerin, doch sie lässt keine von Korbis Aufführungen aus. Sogar Julie gehört noch zum Ensemble, auch wenn sie nur noch wenig Zeit für das kleine Theater hat. Sie hat an ihrer Karriere gebastelt und tritt häufig im Zürcher Schauspielhaus auf. Korbi beschäftigt weiterhin alle möglichen Leute von der Strasse; hin und wieder verpflichtet er aber auch Profis, vor allem für die Inszenierungen im Ernheimer Kulturzentrum, mit dem er sich in unserem kleinen Land bereits einen Namen gemacht hat.

    Aaron ist inzwischen seiner Sara gefolgt. Er verliess unsere Welt mitten in einem Arbeitsgespräch mit seinem Schwiegersohn. Während dieser noch begeistert von einer neuen Kollektion in Brillanten eingefasster Anstecknadeln redete und ich mir Notizen für den Werbetext machte, seufzte Aaron kurz, riss seine Augen weit auf, lächelte mir freundlich zu und sank von seinem Stuhl.

    Und was mich selber betrifft: Ich habe mich verliebt. Ein Ingenieur und Jazzmusiker aus Basel, er heisst Ivan, trat eines Abends im Ernheimer Kulturhaus auf. Vorläufig wohnen wir nicht zusammen, sehen uns aber so oft wie möglich. Ich schreibe noch immer Geschichten über Geister. Meine Bekannten vom Ernheimer Friedhof haben inzwischen Gefallen daran gefunden. Mehr noch, sie versorgen mich mit phantastischen Ideen für meine Erzählungen. Und manchmal bin ich mir wirklich nicht sicher, ob das, was meine Freunde zu sagen haben, ihrer Wirklichkeit entspricht, oder ob sie sich einfach nur lustig über mich machen. Spass muss sein, denke ich mir in solchen Momenten und spiele das Spiel mit. Tja, das Leben ist wirklich schön. Und was danach folgt, ist auch nicht ohne.

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    © Alle Rechte beim Verlag und der Autorin.

    Die Autorin
    Agnes Jäggi, geboren 1965, aus Brugg arbeitet als freie Journalistin. Daneben schreibt sie vor allem Kurzgeschichten. Sie ist verheiratet und lebt zusammen mit ihrem Mann und drei Katzen im Kanton Aargau, Schweiz. Ihr Kurzgeschichte „Das Paradies“ wurde veröffentlicht in dem Buch
    antastbar
    Die Würde des Menschen …
    Hrsg. Barbara Naziri
    Vorwort Rüdiger Nehberg
    Dr. Ronald Henss Verlag
    ISBN 978-3-939937-12-8
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