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Der fremde Tote

Der fremde Tote

Titel: Der fremde Tote
Autoren: Agnes Jäggi
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Wagen vor einem dezent beleuchteten Bungalow direkt am See. Ich gab mich so schläfrig, wie meine aufgeregten Nerven dies nur zuliessen. Erwin half mir aus dem Wagen und schleppte mich zum Haus, welches von einem hohen Zaun umgeben war. Eine Allee von exotischen Gewächsen führte zur breiten Eingangstür, welche sich lautlos öffnete, als wir noch wenige Schritte entfernt waren.
    „Du hast ein verdammt schönes Haus“, grummelte ich.
    Erwin lachte, und Nikolaus, der es sich bereits in einem weissen flauschigen Sessel bequem gemacht hatte, grinste mir anerkennend zu. Erwin küsste mich und zog mich dabei sanft auf die Terrasse, von wo aus sich ein herrlicher Ausblick auf den glitzernden See und die hell erleuchtete andere Uferseite bot.
    „Kann dir dein Mann so etwas nicht bieten?“, flüsterte Erwin wieder in mein Ohr.
    Ich musste ein Kichern unterdrücken, weil es so kitzelte. „Ach nein. Erstens ist er geizig und zweitens besitze ich mehr Geld als er. Aber was soll ich mit Geld, wo ich mich nach Liebe und Zuwendung sehne? Ich kann mir alles leisten bis auf Freundschaft und Liebe.“ Es war so lächerlich, dass ich wieder ein Lachen unterdrücken musste. Aber ich war gut und stolz darauf. Eines Tages würde Korbi mich in einem seiner Stücke auftreten lassen müssen.
    „Wie findest du diese Jünglinge? Über eine Agentur oder auf der Strasse? Das ist gefährlich, meine Reizende“, belehrte der ehrenwerte Erwin mich milde.
    „Tja, Georg (so hiess mein Stoffhund, den ich als Kind besass), den habe ich in einem Café kennen gelernt und Hanno, der wurde mir von einer Freundin vorgestellt.“
    „Triffst du dich nicht mehr mit diesem Hanno?“, fragte Erwin beiläufig.
    „Er ist tot“, erwiderte ich mit einer Mischung aus Trauer und Gleichgültigkeit.
    „Wie ist er denn – ich meine, warum ist er tot?“
    „Er wurde erstochen und bestohlen.“
    Erwin schwieg eine Weile und Nikolaus schüttelte warnend den Kopf.
    „Woher weißt du das? Stand das in der Zeitung oder hat dir deine Freundin davon erzählt?“
    Ich wagte mich einen weiteren Schritt vor: „Ach, ihr Kerle, ihr wisst doch ganz genau, was passiert ist. Wahrscheinlich eine Abrechnung unter euresgleichen. Was weiss ich, ist mir auch egal.“
    Nikolaus erhob sich alarmiert und eilte auf mich zu. „Hör jetzt auf damit!“, rief er, „du bringst dich ernsthaft in Gefahr!“ – „Na und?!“, schrie ich aufgebracht (wahrscheinlich hatte ich doch einen Gin zu viel erwischt), „schau nur wie dieses Pack lebt auf Kosten anderer, zum Beispiel dieser Mädchen!“
    „Mit wem sprichst du eigentlich, und weshalb schreist du so?“ Erwins Stimme klang gefährlich leise.
    „Die Mädchen im ’Victoria’, gehen die für dich anschaffen?“, fragte ich zurück.
    „Bist du Polizistin oder so was?“, erkundigte sich Erwin mit einer Gegenfrage.
    „Hast du Hanno getötet, dir sein Geld und seine Mädchen unter den Nagel gerissen?“
    „Ja, genau das habe ich getan. Und du wirst ihm jetzt folgen. Mir kann niemand etwas beweisen. Dein Gigolo hat dich umgebracht, weil du ihm den Geldhahn zugedreht hast. Ein Alibi wird er nicht vorbringen können, dafür werde ich schon sorgen. Das Mädchen wird nichts ausplaudern, glaub mir. Und jetzt sag mir endlich, wer du bist, du kleine Schlampe!“
    Lichter flammten plötzlich überall auf, und zwei Polizisten rannten auf Erwin zu. Ehe er noch pieps sagen konnte, klickten bereits die Handschellen zu.
    Der kleine Sender in meiner winzigen Handtasche war Nikolaus’ Idee gewesen. Er hatte sich zuvor mit Korbi besprochen, und dieser wiederum hatte unverzüglich die Polizei benachrichtigt. Polizeimeister Hauermeier und die Kriminalpolizei waren schon bald auf Erwins Fährte gekommen, aber um ihn festzunehmen, fehlten die Beweise. Was aber waren schon Beweise gegen ein solides Geständnis?! Das Mädchen, das mit Korbi im ’Victoria’ gewesen war, kannte auch den Namen des Auftragkillers, welcher sich eine Existenz als Schreiner aufgebaut hatte und diese in Mölzen betrieb. Dieser war auch auf die Idee gekommen, die nackte Leiche Hannos auf einem Friedhof irgendwo auf dem Lande zu entsorgen. Ernheim war also zufällig ausgewählt worden. Das Mädchen hatte Hanno gemocht, deshalb war es Korbi nicht schwergefallen, die notwendigen Informationen aus ihr herauszulocken. Ausserdem hatte Korbi versprochen, ihr eine anständige Bürostelle im Betrieb seines Vaters zu besorgen, wenn sie dafür hin und wieder als Darstellerin in
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