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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater
Autoren: Imogen Parker
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Wäre
ich dem Rat
meiner Mutter gefolgt, hätte ich in
jenem Sommer einen Schreibmaschinenkursus belegt. So wie die Dinge lagen, lief
ich in Edinburgh herum, in einem dünnen roten Gymnastikanzug und mit
Plakatschildern behängt. Als unsere Revue dann schließlich Premiere hatte, war
ich verschnupft und hatte eine schwere Halsentzündung, und die einzige Rolle,
die ich spielte, war, das Publikum am ersten Abend um fünfundzwanzig Prozent
anwachsen zu lassen.
    Ehrlich gesagt, konnte ich den Enthusiasmus
meiner Mitschauspieler für die zusammengewürfelte Kooperative nie teilen — wir
zehn in einer für unbewohnbar erklärten Kellerwohnung — , die diesen kühlen
August über bestand. Ich war, wie meine Mutter deutlich gemacht hatte, ein
bißchen zu alt dafür. Mit sechsundzwanzig und einer Karriere hinter mir
(Großbank, leider Gottes; ich war ganz vorn in der Schlange für freiwillige
Kündigungen, als sie umstrukturierten) hatte ich die Entscheidung gefaßt, mit
meiner Abfindung für eine Weile zu dem Bohemeleben meiner Studentenzeit
zurückzukehren.
    Ich war bei einer der weniger erfolgreichen
Schauspieltourneen dabeigewesen, als ich in Cambridge war. Fünf Jahre später
hatte ich nicht erkannt, wie verweichlicht ich durch die Geschäftsreisen mit
Spesenvergütung geworden war. In der Kommune zu leben und Selbstverwirklichung
durch Drama, waren nicht ganz so attraktiv, wie ich es in Erinnerung hatte.
    Ich kehrte stilvoll nach London zurück — allein
der Flug kostete soviel wie der gesamte Lebensunterhalt im Monat davor — , aber
mir war nicht bewußt, wieviel Champagner ich konsumiert hatte, bis ich von
Heathrow aus meine Mutter anrief (sie macht sich immer Sorgen, wenn ich fliege)
und in Tränen ausbrach.
    Es hört sich seltsam defätistisch an, wenn ich
zugebe, daß die nächste Woche eine der glücklichsten war, die ich jemals
verlebt habe. In eine schöne saubere Wolldecke mit Laken eingemummt (warum sind
Federbetten bloß so populär geworden), mit flatternden Blümchengardinen und den
Kirchenglocken von Pinner, die durch die Fenster in mein Kinderzimmer tönten,
heißer Zitrone mit richtigem Zitronensaft und Honig, weil meine Mutter irgendwo
einen Artikel gelesen hatte, in dem es hieß, Paracetamol könne schädlich sein,
und, als ich meine Stimme wiederhatte, ein paar stinknormalen, untheatralischen
Plaudereien mit meiner Mutter. Ich vergaß fast, daß es eine Außenwelt gab, in
der ich eine Wohnung mit einer richtigen Hypothek hatte, eine Reihe Freunde mit
Erwartungen an mich, und eine Zukunft.
    Mutter hatte recht, Ich hätte einen
Schreibmaschinenkursus belegen sollen, denn wenn ich das getan hätte, wäre ich
in der Lage gewesen, für einen lukrativeren Verein als Office Sees, zu
arbeiten. Aber dann wäre ich vielleicht nie Agatha Brown begegnet.

  »Sie waren die Billigste, die wir finden konnten«, sagte sie
nach dem einleitenden »Guten Morgen«.
    Ich sagte, ich sei nicht überrascht. Meine
Qualifikationen genügten den Anforderungen nicht, wie ich zu meiner Schmach in
der Woche vorher herausgefunden hatte, als ich mich Schreibmaschinentests in
allen wohlbekannten Agenturen unterzogen hatte und wegen Tempo und Genauigkeit
abgewiesen worden war. Nachdem ich noch nie zuvor in einer Prüfung versagt
hatte, war dies ein Schlag gewesen, aber ich hatte schließlich den Weg zu einem
schäbigen Büro in einer Gasse abseits der Charing Cross Road gefunden, wo eine
Agentur namens Office Sees, warb, es sei »keine vorherige Erfahrung
erforderlich«. Ich war ein wenig mißtrauisch, aber ich zwang mich, zu klingeln,
und die Australierin, die das Geschäft allein zu führen schien, stürzte sich
aufgrund meiner Theaterkenntnisse auf meinen Lebenslauf und schickte mich zu
Brown und Brown. Ich sollte für drei Monate die persönlichen Angelegenheiten
der Direktorin verwalten, während ihre eigentliche Sekretärin in
Mutterschaftsurlaub war.
    Ich fing an zu sagen, daß ich, obwohl mein Tempo
vielleicht nicht den normalen Anforderungen genüge, garantiert die Arbeit
erledigen würde, aber sie unterbrach mich.
    »Nicht nötig, über langweilige Details zu reden,
Schätzchen. Ich weiß, Sie werden mehr als genügen. Sobald jemand durch diese
Tür kommt, kann ich sagen, ob ich ihn mag oder nicht. Und ich mag Sie. Ich war
lange genug in diesem Geschäft, um mit einem Blick zu wissen, ob ich mit
jemandem auskommen werde.«
    Ich hatte etwas zwiespältige Gefühle bei dieser
Freundlichkeit. Ich wußte nicht, ob ich
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