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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
Autoren: Janny Wurts
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kurzgeschorenen Haare zu verlieren, bot er ihr seinen Arm, und Talith blieb keine andere Wahl, als sich tapfer von ihm aus ihren verwahrlosten Räumlichkeiten an Bord der Königlichen Freiheit geleiten zu lassen.
    Höflich, wenngleich unauffällig, doch mit tadellosem Anstand, wurde sie an Bord der Khetienn, die unter den königlichen Farben derer zu s’Ffalenn vor Anker gegangen war, in ein ihrem Stand angemessenes Quartier geführt, während die Herden aus Vastmark die Planken des Zweimasters ruhelos mit ihren Hufen bearbeiteten.
    Mit der nächsten Flut lief sie aus, um den letzten Teil ihrer Reise nach Ostermere anzutreten. Auf Deck sah die Prinzessin zu, wie die schiefergedeckten Giebeldächer von Los Mar langsam im grauen Dunst der Morgendämmerung verschwanden. Auch offenbarte ihr diese erste Gelegenheit, ihre Blicke über den Hafen schweifen zu lassen, eine Besonderheit: Die Fischerschmacke Königliche Freiheit war noch während der Nacht wieder abgereist.
    Eine unangenehme Kälte jagte über ihre Haut, während sich ihre Finger an die feuchte Reling klammerten. Ihr Schicksal war besiegelt. Es würde keine weitere Möglichkeit geben, die sie zu ihrem Vorteil nutzen konnte, nicht, während einer Hochseereise, und wenn die Khetienn das nächste Mal vor Anker gehen würde, obläge die weitere Entscheidung über ihre Gefangenschaft der Macht der Bruderschaft der Sieben. Auf neutralem Grund und in angemessener Gesellschaft, würden sie und ihr Entführer Gäste des Hohekönigs zu Havish sein.
     
    Sieben Tage vor der Sommersonnenwende legte Arithons Zweimaster unter den nebelverhangenen Kalksteinklippen an den Kais von Ostermere an. Sprungbereit kauerte der Leopard, Wahrzeichen des königlichen Geschlechts derer zu s’Ffalenn, auf dem Banner, das, vom steten Nieselregen schwer und zerknautscht, an der Spitze des Mastes träge im Wind hin und her schlug. Auch die Nässe vermochte die Geschicklichkeit der Mannschaft auf der Khetienn nicht zu mindern. Rasch waren die Rahen von den mit Baumrinde gefärbten Segeln befreit und die Taue ordentlich auf Deck verstaut. Donnernd schlug die Landungsbrücke auf, von deren Geländern aus Seil silbrige Wassertropfen in die Tiefe fielen.
    Auf dem Kai, unter einem von der Nässe aus der Form gebrachten, gewachsten, linnenen Baldachin wartete die Delegation König Eldirs darauf, sie zu begrüßen. Der junge König war ein stolzer Mann. Trotz der widrigen Umstände wahrte er die angemessene Form. Neben den persönlichen Dienern und dem besten Kämpen des Reiches, der zu seinem bodenlangen Wappenrock eine stählerne Haube trug, gehörte auch der Reichskanzler von Havish, ein Mann, so mager wie ein Windhund, dessen Abneigung gegen all den durchnäßten Samt kaum zu übersehen war, der Willkommensgesellschaft an. Zu seiner Linken hatten sich, ausstaffiert mit Rüschen und erschlafften Spitzenkragen, die Gildeminister zu Ostermere aufgestellt, drei von ihnen stocksteif, während der vierte, ein korpulenter Mann mit fröhlichen Zügen, sich in der unfreundlichen Seebrise die gerötete Nase schneuzte. Der Caithdein von Havish, Lord Machiel, hielt sich einen halben Schritt abseits. Er, den die Nässe am wenigsten störte, präsentierte seine breite Brust in imposanten, traditionell schwarzen Gewändern. Eine zunehmende Glatze hatte den einst blonden Schopf auf seinem Schädel vertrieben. Deutlich haftete ihm die Wachsamkeit eines Mannes an, der niemals seine Wälder und die allzeit gegenwärtige Gefahr herannahender Kopfjäger vergessen hatte.
    Die Züge des gerade zweiundzwanzigjährigen Herrschers mit dem braunen Haar, dessen Reiches Diener er war, zeigten sich ernst über dem kantigen Kinn. Eldir, ein Mann von großer Redlichkeit, scherte sich wenig um die schwere Last seines hochherrschaftlichen Wappenrocks aus plissierter, scharlachroter Seide. So sorglos er mit all den Juwelen umging, hätte dieser König ebensogut die Wollkleider eines einfachen Arbeiters tragen können. Nur ein Stirnband, Erbe seiner Vorfahren und Zeichen seines Standes, krönte die gerunzelte Stirn über den sorgenvoll dreinblickenden Augen.
    Ihm zu begegnen, hatte sich Arithon in jene kostbaren Gewänder gehüllt, die er auch anläßlich Taliths Landung auf den Cascaininseln getragen hatte. Da er, anders als das königliche Gefolge, an diesem regnerischen, unfreundlichen Morgen nicht über die geschlängelte Hauptstraße von der oberen Zitadelle hatte herabsteigen müssen, war er vollkommen trocken, und seine
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