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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
Autoren: Janny Wurts
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Auftretens immens.
    Arithons zur Schau getragene Rüpelhaftigkeit schwand sogleich. Sein Gesicht wurde so blaß, und seine Bewegungen, die nichts als bloßer Reflex waren, trieben die Minister in die Flucht, als wäre er mit einer gezogenen Klinge auf sie zugestürmt.
    Doch lag in seinem raschen Vorpreschen, das vor dem bärtigen Mann in der Robe auf einem Knie endete, keine Drohung, sondern tief empfundene Demut. »Hüter«, stammelte Arithon. »Sethvir.« Dann, all der Geübtheit zum Trotz, die ihn als einen Meisterbarden auszeichnete, war seine Kehle wie zugeschnürt, und die Stimme versagte ihm den Dienst.
    Der Zauberer, an den er das Wort gerichtet hatte, strich mit einer zarten Hand über seinen schwarzen Schopf und sprach zu ihm, als hätte der Prinz ihn um eine Privataudienz ersucht. »Wir sollten uns sorgen, so denkt Ihr doch? Seit Eurem Streich in der Minderlbucht hat der Fluch des Nebelgeistes tiefere Wurzeln geschlagen, und seine Macht wütet schlimmer als zuvor. Euer Mißtrauen ist wohlbegründet. Jedes Zusammentreffen macht es schwerer, diese Magie im Zaum zu halten.«
    »Ihr wißt es also«, sagte Arithon gedämpft. Er sah auf. Seine Pupillen waren stark geweitet, und in seinen Zügen spiegelte sich das Grauen, das er empfand. »Dieser Austausch könnte eine Katastrophe herbeiführen. Wenn Ihr es wünscht, werde ich abreisen.«
    Sethvirs runzelige Züge ordneten sich zu einem Ausdruck des Tadels. »Wir haben längst Vorsorgemaßnahmen ergriffen, beruhigt Euch.« Er schob die andere Hand unter dem Saum seines Ärmels hervor und zog Rathains Prinzen auf seine Füße zurück. Hinter dem Schleier über seinen Augen verbarg sich ein stählernes Funkeln, eine Antwort auf die unnötige Warnung, die Arithon ohne Rücksicht auf seinen Stolz und ohne sich um die Ohrenzeugen zu scheren, ausgesprochen hatte.
    Zu spät mühte sich der Prinz von Rathain nun, seinen tiefen Kummer zu verbergen. Schon zeigte sich des Kanzlers Blick so kühl wie reserviert, und die Höflinge hielten merklich Abstand. Talith aber, deren geschultes Auge beständig nach einer Schwäche ihres Feindes Ausschau hielt, erschütterte dieser Augenblick der Opferung bis an die Wurzeln ihres Bewußtseins.
    König Eldir ließ eine banale Höflichkeit vernehmen. Gedankenverloren antwortete Talith beinahe unbewußt, ohne den Regen auch nur wahrzunehmen, der ihr kurzes Haar benetzte. Sodann fügte sie sich dem Wunsch des Königs und ließ sich von den Kais fortführen. Pflichtbewußt, wenngleich nicht ausnehmend höflich, übergab König Eldir sie der trockenen Bequemlichkeit seiner Kutsche. Ein Diener schloß die glänzende Tür hinter ihr und überließ sie dem Frieden und der Zurückgezogenheit, als der Kutscher auf dem Bock die Zügel ergriff und sein Gespann beinahe identischer Pferde mit leisem Klimpern zu einem forschen Trab antrieb. Die Stallburschen brachten ein Roß für den fremden Prinzen und das reich aufgeputzte Tier des Königs. Die Soldaten aus dem königlichen Gefolge kletterten in ihre nassen Sättel; Diener sammelten die Banner ein, die die Wassermassen von ihren Masten gespült hatte. Vom Nebel eingehüllt, doch stetig von neugierigen, nassen Zuschauern aus Hauseingängen, Fenstern und Torbögen beobachtet, die sich über die Pfützen auf der Straße spannten, verließ die Prozession langsam die Kais. Umgeben von dem gemaserten Kalkstein und den grün angelaufenen Kupferziegeln Ostermeres, erklommen sie die endlosen Stufen vom Handelsviertel, hinauf zu der hochaufragenden Zitadelle, die über den Ratssitz König Eldirs wachte. Die Rufe der Fuhrmänner, das Knirschen der Räder und die klatschenden Schritte der Botenjungen klangen hohl, fremdartig, nicht real, waren nichts als ein Netz von Geräuschen, das sich über die kaum verhohlene Anspannung gelegt hatte.
    Die Würdenträger der Stadt, die das hohe Haus sonst mit beinahe feierlicher Würde betraten, stürmten nun mit unbehaglicher, gereizter Hast voran, beunruhigt allein durch jene schwarzhaarige Kreatur, jener Kreuzung aus schlichter Aufrichtigkeit und verschlagener, verzweifelter List, die sie nun in ihrer Mitte hatten aufnehmen müssen.
     
    Gerade fünf Jahre währte nun König Eldirs monarchische Herrschaft zu Ostermere, und das Reich war noch nicht in die Regeln hochherrschaftlicher Regentschaft hineingewachsen, war unsicher angesichts seiner Einheit wie die einzelnen Fäden eines Teppichs, dessen Weber uneins über ihre Arbeit waren. Splittergruppen bildeten sich,
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