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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
Autoren: Janny Wurts
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doch der Untergang des königlichen Hafens zu Telmandir hatte die Handelsschwerpunkte verschoben und die Menschen hier zu Reichtum gebracht. In dieser Stadt gab es Bibliotheken und Gelehrte, und kluge Männer überall auf dem Kontinent wußten um die Wunder der hier gelagerten erleuchteten Manuskripte.
    Auch eine allein reisende Frau sollte keine Probleme haben, Pferde zu mieten und eine Eskorte anzuheuern oder eine angemessene Unterkunft in einem Gasthaus zu finden.
    Endlich erschlafften die aus gewöhnlichem Flickwerk bestehenden Segel der Freiheit. Als das Plätschern des fallenden Ankers durch die Klüse in den Schiffsrumpf hereindrang, genoß Talith ihren Triumph. Sie hatte den Herrn der Schatten übertroffen. Ganz, wie es ihre Absicht gewesen war, würde sie nun bald zu Ostermere an der Seite ihres Gemahls sein.
    Über ihr donnerte etwas. Knarrend öffnete sich die Luke, und der stämmige Seemann, der die Freiheit kommandierte, hangelte sich über die Leiter hinunter in die Enge des Lagerraumes. »Prinzessin«, grüßte er mit einer angedeuteten Verbeugung, »wir sind sicher im Hafen von Los Mar gelandet.«
    »Sehr gut.« Talith griff unter die Decken und zog ihren geheimen Juwelenvorrat hervor. »Nehmt meinen Dank und die versprochene Bezahlung.«
    Der Seemann umschloß den seidenen Beutel mit seinen schwieligen Händen, zupfte an dem Verschlußbändchen und warf einen Blick hinein. Der Anblick entlockte ihm einen anerkennenden Pfiff. »Euer Hoheit«, sagte er dann, »der Preis, den Ihr zahlen wollt, ist viel zu hoch.«
    Noch ehe sie widersprechen konnte, schüttete er den Reichtum aus. Rubine, Saphire, Zitrine und Perlen ergossen sich über den derben Drillich ihrer Koje, funkelten im flackernden Schein der Talgkerze, die den Laderaum nur spärlich erhellte. Jeder einzelne Stein leuchtete auf wie eine farbenfrohe Flamme, während der Seemann in dem Reichtum herumwühlte. »Ihr werdet Gefolge heuern müssen«, tadelte er sie. »Außerdem könnt Ihr in den erbärmlichen Lumpen, die Euch von Eurem Gewand geblieben sind, nicht reisen.«
    Taliths ärgerliches Schweigen quittierte er mit einem pfiffigen Lachen. »Ich will Euch die Wahrheit sagen, Hoheit. Wir hätten die Cascaininseln so oder so verlassen, um an einem anderen Ort unser Glück zu suchen. Gewiß werden wir Euch eine angemessene Entlohnung für unsere Dienste abnehmen, aber nicht all Eure Juwelen.«
    Nun wanderte das Durcheinander aus Goldketten und Perlenschnüren, die einst ihre Gewänder geziert hatten, zurück in den Beutel; die edleren Stücke wie goldgefaßte Juwelen, Ringe, Nadeln, goldene Armreifen und schimmernde Colliers funkelten hingegen säuberlich aufgereiht auf der Decke.
    »Behaltet nur Euren Schmuck«, sagte der Seemann. »Wir sind mit dem zufrieden, was Eure Kleider abgeworfen haben.«
    Von der überraschenden Ehrenhaftigkeit dieses seetüchtigen Schurken angetan, kümmerte es Talith kaum, daß seine letzten, hastigen Instruktionen sie anwiesen, sich in Geduld zu üben und noch mehr Zeit an Bord der Königlichen Freiheit zu verbringen.
    »Im Schutz der Dunkelheit wird ein Verbündeter von uns an Bord kommen, Euer Hoheit. Er wird Euch anständige Kleider bringen und dafür sorgen, daß Ihr sicher von Bord kommt.«
    So begannen die Stunden unsäglich langsam dahinzuziehen, während Talith voller Sorge in der Düsternis ihres Gefängnisses wartete. Mühsam ertrug sie das Plätschern im Kielraum des Schiffes und den allgegenwärtigen, scheußlichen Gestank des Bootes, das an seinem Ankertau auf dem Wasser schaukelte. Viel zu aufgeregt, sich auszuruhen, zählte sie die Glockenschläge der Wachglocken auf den Galeeren. Die Kerze brannte herab. Rauch stieg von dem Docht in der Talglache auf, bis die schwache, unstete Flamme flackernd erlosch. Der vereinzelte Sonnenstrahl, der durch eine Ritze in der Luke hereindrang, veränderte langsam die Farbe; aus Gold würde Fuchsienrot, ehe er schließlich mit dem Zwielicht der Dämmerung verschmolz.
    Nacht senkte sich über den Hafen von Los Mar, begleitet von dem endlosen Plätschern kleiner Wellen an hölzernen Planken und dem fernen Knirschen der Wagenräder. In der Nähe erklang das schaurige Grölen eines Matrosen, der ein schmutziges Lied zum Besten gab, begleitet von den Rufen der Führer jener Leichterschiffe, die geheuert waren, die Seeleute zum Landgang zu fahren.
    Als ein Gast sich über die Reling der Freiheit zog, bekam ihr Bug kaum mehr Schlagseite, als der Wechsel der Gezeiten so oder
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