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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung
Autoren: Janny Wurts
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konnten jedoch nicht Fuß fassen. Junge Damen wetteiferten um des Königs Gunst, doch noch hatte er keine Wahl getroffen, obgleich jene, die an gelehrten Unterhaltungen kein Interesse zeigten, sogleich in die hintersten Reihen verbannt wurden. Die Rechtsprechung des Hohekönigs erkannte die Charta von Havish an, wie sie in der Morgendämmerung des Dritten Zeitalters von der Bruderschaft festgelegt worden war. Auch seine Steuerpolitik war tadellos. Doch seit jenem Erlaß, der sich gegen Angriffe auf die Clans wandte und die Kopfprämien verbot, was wiederum zur Auflösung der Kopfgeldjägerliga geführt hatte, mußte er seiner Autorität oft bitter Nachdruck verleihen. Königliche Gardisten bewachten die Handelsstraßen in großer Zahl. Arbeiter wurden verpflichtet, die Straßen zu reparieren, deren Schieferpflaster noch aus der Zeit der Paravianer stammte. Langsam, sehr langsam, konnten auch die isolierten Siedlungen in Lanshire gewonnen und überzeugt werden, sich den Gesetzen zu ergeben und am Handel zu beteiligen.
    An dem großen Tisch im Ratssaal des Königs wurden Pläne, stets auch Gegenstand kontroverser Diskussion, geschmiedet, die Clans aus ihrem Jahrhunderte währenden Exil in der Wildnis zurückzuholen. Die Ruinen von Telmandir sollten wieder aufgebaut werden, um ihnen ein neues Zuhause zu schaffen, ebenso wie zwei weniger bekannte Orte, die nurmehr aus unkrautüberwucherten Fundamenten bestanden und in den Archiven der Städte nirgends namentlich Erwähnung fanden, um welche die Städter aber dennoch stets in eisigem Grauen einen großen Bogen zu machen pflegten.
    In dieses Durcheinander ungeklärter Machtverhältnisse, den Wettstreit verstimmter Statthalter und Vertreter des Handels, die allesamt mit mörderischem Eifer daran arbeiteten, ihre Vormachtstellung gegenüber den alten Clans aufrechtzuerhalten, platzte nun Arithon s’Ffalenn. Zwar war Havish noch immer neutral in bezug auf die Auswirkungen des Fluches Desh-Thieres, doch vermochte kein königlicher Erlaß, neun Jahre wilder Gerüchte ungehört verhallen zu lassen. Der Hofstaat war vielleicht imstande, Prinzessin Taliths glühenden Stolz und die wilden Mätzchen Dakars mehr oder minder spielend zu verkraften. Hier aber ging es um jenen Prinzen, der geholfen hatte, das Sonnenlicht zurückzubringen und das Gefängnis des Nebelgeistes zu versiegeln; der ein Zauberer war und ein Pirat, ein Scharlatan und Meisterbarde, der die Menschen in vier Königreichen zu den Waffen hatte greifen lassen.
    Das Bankett, auf dem die Anwesenheit des Prinzen verkündet werden sollte, geriet zu einer Arena der Intrigen und der Neugier. König Eldir nahm die Gabe von zehn Stuten und einem prachtvollen, silbergrauen Hengst mit dem angemessenen Grad distanzierter Höflichkeit entgegen. So sehr er wegen seiner tiefen Leidenschaft für Pferde berühmt sein mochte, blieb doch auch seine ausgewogene Haltung absolut verläßlich. In dem ihm eigenen ernsthaften Stil, revanchierte sich der Herrscher von Havish für Arithons Sorglosigkeit am Hafen, indem er sich zufrieden auf seinen erhöhten Platz zurückzog und seinen Höflingen gestattete, ihre unersättliche Wißbegier ganz nach ihrem Wohlgefallen zu befriedigen.
    Prinzessin Talith hätte ihn warnen können. Sie war dabeigewesen, als Arithon vor neun Jahren den hochwohlgeborenen Bürgern Etarras als der Prinz vorgestellt worden war, der den Thron von Rathain besteigen sollte. Wenn er sich auch äußerlich seit damals nicht im mindesten verändert hatte, war doch seine Sprachgewandtheit ausgefeilter denn je zuvor. Der Staat, mit dem er sich schmückte, war kostbar, doch von schlichter, beinahe gestrenger Eleganz. Er trug keine Juwelen. Auch auf das Leopardenwappen hatte er verzichtet, und allein die königlichen Farben Rathains, Grün, Schwarz und Silber, verhießen noch keine respektable Aura. Er hatte Charme, doch es fehlte ihm an Erhabenheit, und er vermochte weder durch Muskeln noch Körpergröße zu beeindrucken. All das verleitete die hohen Herren, ihn zu unterschätzen. Ihre aufmerksameren Gemahlinnen achteten hingegen weniger auf seine schmale Figur als auf die Art, wie der Mann seine Gewänder ausfüllte.
    Denn in ihrer kriecherischen Art, ihrer unwillkommenen Neugier, erkannten sie stets zu spät das kleine Wort, den flinken Hieb, der sich, wie eine Dornenranke in einem Bett aus Efeu, als kleine Bösartigkeit offenbarte. So mußten sie bald feststellen, daß Arithon sich in der Menge wie ein Schatten zu bewegen
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