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Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)

Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)

Titel: Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
Autoren: Inka Loreen Minden
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Prolog
     
     
     
    K
    yrian lag auf dem Bauch seiner Mutter und lauschte den Schlägen ihres Herzens. Das beruhigte ihn, o b wohl ihr Herz jetzt, im versteinerten Zustand, viel leiser pochte und ihr Antlitz zu einer hässlichen Fratze verzerrt war.
    Der Körper seiner Mama – ihre Schwingen, Klauen und Fänge – bestand nicht wirklich aus Stein, sondern aus einem organischen M a terial, das Stein ähnelte. Für Kyrian war das genauso normal, wie sich tagsüber in der finsteren Höhle zu verstecken.
    Neben ihm schlummerte seine fünfjährige Zwillingsschwester M y ra. Er erkannte sie im Dunkeln problemlos, ebenso den Tausendfü ß ler, der über Mamas Gesicht lief. Flink griff er danach und steckte sich ihn in den Mund. Der Panzer knackte zwischen den Zähnen; der schleimige Inhalt verteilte sich auf seiner Zunge.
    Mmm … Ein Insekt schmeckte köstlich, wenn man fast verhu n gerte. Leider knurrte sein Magen nach diesem Happen nur noch la u ter. Außerdem machte sich sein Gewissen bemerkbar. Er hätte Myra die Hälfte aufheben sollen. Sie war so dünn.
    Sanft streichelte er durch ihr Haar, das ebenso schwarz war wie seines. Ansonsten hatten sie, bis auf die Fangzähne, nur wenig g e mein. Myra war klein und zierlich, eine Elfe mit spitzen Ohren und einem herzförmigen Gesicht, während er mehr nach Mutter kam: groß und stark. Er besaß zwar keine Schwingen, aber einen Ga r goyleschwanz und winzige Hörner, worauf er besonders stolz war. »Kleiner Löwe« nannte Mama ihn oft, weil sein Schwanz dem der Raubkatze ähnelte. Kyrian hatte noch nie einen Löwen gesehen, wusste jedoch, dass er in einer anderen Welt der König der Tiere war. Hauptsache, Kyrian ähnelte seinen Feinden nicht zu sehr. Im Gegensatz zu Myra. Trotzdem liebte er seine Schwester von ganzem Herzen. Er würde sein Leben für sie geben.
    Aufregung machte sich in seinem Magen breit, weil in Kürze die Sonne unterging. Dann wurde Mama wieder lebendig. Gemeinsam würden sie die Höhle verlassen und Myra und er in Mamas Armen über das Dunkle Land gleiten, um wie jede Nacht nach einem Au s gang zu suchen. Sie mussten das Reich der Dunkelelfen dringend verlassen. Leider waren Kyrian und seine Schwester bald zu groß und zu schwer, um mit ihrer Mutter zu segeln.
    Seit er denken konnte, versteckten sie sich in dieser Berghöhle. Seine Mutter hatte ihnen erzählt, ein Dunkelelf habe sie vor langer Zeit aus der Menschenwelt entführt und gefangen gehalten, bis Kyr i an und Myra auf die Welt kamen. Erst danach hatte sie es geschafft, ihn zu töten und mit ihnen durch eine geheime Passage zu fliehen.
    Nachdenklich betrachtete er die steinernen Schwingen seiner M a ma, die sonst aus warmem Leder bestanden. Schade, dass Myra und er keine Flughäute besaßen, dann könnten sie sich aufteilen, jeder in eine andere Richtung gleiten.
    Seine Ohren zuckten, als er ein Knirschen hörte. Schnell hob er den Kopf. Schritte näherten sich.
    »Sie müssen hier drin sein, Orugh schwört, die drei gesehen zu h a ben«, hallte eine unbekannte Stimme durch die Höhle.
    »Mama«, flüsterte er und rüttelte an der Steinfigur, obwohl er wusste, dass sich ihr Zustand dadurch nicht ändern würde.
    Myra hatte die Stimmen auch gehört. Mit großen Augen starrte sie ihn an und krallte ihre zarten Finger in ihr schmutziges Kleidchen. Er bedeutete ihr, still zu sein, und reichte ihr die Hand. Aus seinen Beinen wich jegliche Kraft, während er Myra in den tiefsten Winkel der Höhle zog. Er drückte sie hinter sich und sie schmiegte sich zi t ternd an seinen Rücken. Die Dunkelelfen kamen, um sie alle zu t ö ten. Mama hatte sie darauf vorbereitet. Kyrian und Myra könnten durch einen engen Felsspalt entkommen, doch er dachte nicht an Flucht, solange seine Mama wehrlos war. Er würde sie beschützen. Außerdem war er bereits zu groß.
    Da seine Schwester viel zierlicher war als er, befahl er ihr leise, sich in die Felsnische zu zwängen und zu fliehen. Dank des grauen Kle i des verschmolz sie fast mit dem Stein. Sie würde in Sicherheit sein. Keinen Wimpernschlag später blendete ihn Feuer, sodass er sich die Hände vor die Augen halten musste.
    »Da ist der Bastard!«, rief einer, packte ihn am Arm und zog Kyr i an aus der Nische, wobei er die Fackel dicht vor sein Gesicht hielt.
    Er zwinkerte, brachte die Augen jedoch nicht auf. An Licht war er nicht gewöhnt, ebenso wenig an den Ruß der Fackel, der in seinen Lungen kratzte.
    »Verdammt, er sieht aus wie einer von uns«, sagte ein
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