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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family
Autoren: David Safier
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EMMA
    «Ein indianisches Sprichwort sagt: Je mehr man jemanden liebt, desto mehr möchte man ihn umbringen», erklärte meine Angestellte.
    Und ich dachte mir: Mann, muss ich meine Familie lieben.
    Schon zum x-ten Male klingelte während der Arbeit in meinem kleinen Kinderbuchladen das Handy. Zuerst hatte meine Teenagertochter Fee angerufen, um mich seelisch darauf vorzubereiten, dass sie sitzenbleibt (sie besaß nun mal leider die Mathe-Begabung eines Labradors).
    Danach rief ihr kleiner Bruder Max an, um mir zu sagen, dass er nicht in die Wohnung reinkäme, weil er wieder einmal den Schlüssel vergessen hätte (ob es eigentlich so etwas wie Kinder-Alzheimer gab?).
    Und diesmal war es laut Handy-Display mein Ehemann Frank. Höchstwahrscheinlich, um mir mitzuteilen, dass er – wie fast jeden Tag – später aus dem Büro nach Hause kommen würde. (Was nicht nur bedeutete, dass ich mich erst mal ganz allein mit Fee wegen ihrer geradezu olympischen schulischen Faulheit herumstreiten dürfte, sondern auch, dass ich wieder mal ohne jegliche Hilfe gegen das Chaos in unserer Wohnung ankämpfen müsste. Die sah an einigen Tagen so aus, als ob plündernde Hunnen durch sie gewandert waren. Begleitet von Elefanten. Und von Ogern. Und von Britney Spears.)
    Ich beschloss, nicht ans Handy zu gehen, um mir ein Gespräch zu ersparen, bei dem ich mich nur wahnsinnig aufregen würde und an dessen Ende ich mich noch mehr darüber aufregen würde, dass ich mich so aufgeregt hatte.
    Stattdessen starrte ich stumpf aus dem Fenster meines Buchladens namens
Lemmi und die Schmöker
. Dabei dachte ich traurig daran, dass es mal eine Zeit gegeben hatte, in der ich meine Familie ohne negative Gedanken geliebt hatte. Das war, bevor wir von diesen gemeinen Monstern heimgesucht worden waren, die da hießen: Berufsstress, Midlife-Crisis und Pubertät.
    Ja, wir Wünschmanns waren mal eine glückliche Familie gewesen. Aber irgendetwas war uns in den letzten Jahren verloren gegangen. Bedauerlicherweise hatte ich keine Ahnung, um was genau es sich dabei handelte, und dementsprechend noch viel weniger Ahnung, wie ich dieses Etwas je wiederfinden konnte. Dabei wünschte ich es mir so sehr.
    Während ich mich nach den alten Zeiten zurücksehnte, ging am Fenster meines Buchladens ein junger Mann mit einem faszinierenden Hintern vorbei. Ich rückte meine Brille zurecht und betrachtete ihn mir genauer.
    «Knackiger Po, was?», bemerkte meine alte Angestellte Cheyenne, die eigentlich Renate hieß, aber auf diesen Namen nicht hörte und mit ihren Blumen im Haar und ihren wallenden Kleidern wohl die älteste Hippiefrau des uns bekannten Universums war.
    «Ähem, ich hab keinen Po gesehen», flunkerte ich nicht sonderlich überzeugend. Cheyenne lächelte nur verschmitzt. Daher fügte ich schnell hinzu: «Abgesehen davon, war der ein bisschen zu knochig.»
    «Du hast ihn also doch gesehen, Emma», grinste die alte Dame. Und während ich ertappt dreinblickte, stellte sie fest: «Der Junge könnte dein Sohn sein.»
    Mein Gott, Cheyenne hatte recht. Ich war Ende dreißig, der Typ höchstens Anfang zwanzig. Und ich gaffte so einem jungen Mann hinterher. Wie beschämend.
    «Wann hattest du eigentlich das letzte Mal Sex, Emma?», fragte Cheyenne und nippte an ihrem Yogi-Tee, der roch, als hätte ein sehr alter Yogi seine Füße darin gebadet.
    «Ähem …», zögerÍte ich mit der Antwort, weil ich Schwierigkeiten hatte, mich daran zu erinnern.
    «Hab ich mir gedacht», grinste sie nun sehr breit.
    Tatsächlich war bei all dem Stress, den Frank und ich mit unseren Berufen und Kindern hatten, regelmäßiger Sex für uns beide Science-Fiction.
    «Ich hatte gestern das letzte Mal», teilte Cheyenne freudig mit.
    Noch bevor ich sie darum bitten konnte, nicht ins Detail zu gehen, redete sie weiter: «Ich sag dir, Werner ist zwar etwas klapprig, aber er hat ein riesiges Dingeling …»
    «Moment mal», fragte ich etwas irritiert, «du nennst sein Ding … ‹Dingeling›?»
    «‹Dingeling› oder ‹Pipimann›.»
    «Dann lieber Dingeling», befand ich.
    «Das findet Werner auch.»
    Sie nippte noch mal an dem Tee und fuhr genüsslich fort: «Werner ist fast so ein guter Liebhaber wie Carlos, damals im heißen Herbst.»
    Cheyenne erzählte immer wieder gerne von all ihren verflossenen Liebhabern, die sie im Laufe der Jahrzehnte vernascht hatte, von Yussuf, Mumbato oder Mao … Und ich liebte es, ihren Geschichten aus all den fernen Ländern zu
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