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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family
Autoren: David Safier
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zwölf Jahre etwas zu klein geraten, auch etwas zu dick. Er war hochbegabt, was seine Popularitätswerte in seiner Klasse nicht gerade hochschnellen ließ. Max war daher in den letzten Jahren zu einem extrem schüchternen Bücherwurm geworden, der es liebte, in Phantasiewelten abzutauchen. Die Realität war ihm eindeutig zu realistisch. Einerseits konnte ich das verstehen, andererseits konnte ich das nicht zulassen. Zuerst hatte ich versucht, ihn dazu zu bringen, Musik zu machen, aber seine Chorleiterin nahm mich zur Seite: «Tut mir leid, das sagen zu müssen: Aber Ihr Sohn trifft einen Ton nicht mal, wenn er vor ihm steht.» Daraufhin hatte ich ihn beim Fußball angemeldet, aber sein Trainer erinnerte in seinen Methoden der Teamführung an Saddam Hussein. Beim letzten Spiel, bevor Max aufhörte, ranzte Saddam mich an: «So wie Ihr Sohn spielt, sollten Sie mal nachprüfen, ob er nicht schwul ist.» Jetzt suchte ich nach einem neuen Ort, an dem Max die Realität genießen konnte, ohne bisher einen solchen gefunden zu haben.
    Ich blickte meine Familie an, die am Küchentisch in unserer Altbauwohnung saß, und erklärte entschlossen: «Wir machen das heute Abend als Familie!»
    «Ich mach, was ich will», erwiderte Fee.
    Es war einer ihrer Standardsätze. So wie: «Ich räume später auf», «Ich schaff das schon noch pünktlich zur Schule» oder «Mama, ich würde doch nie kiffen». (Mir war es schon immer schleierhaft gewesen, warum einige Teenager in der Pubertät anfingen, Gras zu rauchen. Eigentlich müssten das doch die Eltern tun, um diese Phase des Lebens durchzustehen.)
    Fees Lieblingsstandardsatz aber war: «Mama, du bist peinlich.» Wenn ich sang, war ich peinlich. Wenn ich mich schminkte, war ich peinlich. Wenn ich mich nicht schminkte, war ich noch peinlicher. Nur einmal, als ich im Badeanzug mit ihr ins Freibad ging, war ich nicht peinlich gewesen. Sondern todpeinlich.
    Normalerweise versuchte ich ja, meine Kinder ohne allzu viele Drohungen zu erziehen, aber mir war es nun mal unglaublich wichtig, dass wir als Familie zu Stephenie Meyer gingen, damit ich vor Lena angeben konnte, und so erklärte ich bestimmt: «Wenn du nicht mitkommst, Fee, gibt es Stubenarrest!»
    Sie sah mich zornesrot an, wütender als sonst, es handelte sich anscheinend um eine besonders wichtige Verabredung. Bestimmt mit einem Jungen. Aber wenn ich das ansprechen würde, oder gar die Tatsache, dass sie sitzenblieb, dann würde sie garantiert gleich explodieren. Und wenn sie explodierte, würde ich auch explodieren. Und während wir fröhlich vor uns hin detonierten, würde Frank sich zu seinem Laptop verkrümeln und Max zu seinem aktuellen Buch. Daher erwiderte ich gar nichts und ließ ihre Wut im Raum hängen, bis Fee zischelte: «Es ist immer toll, was mit der Familie zu machen. Besonders wenn man es so freiwillig tun darf.»
    Frank nahm mich darauf beiseite und fragte leise: «Aber mir wirst du doch keinen Stubenarrest geben, wenn ich nicht mitkomme, Emma? Ich muss mir überlegen, wie ich den Mitarbeitern in der Bank die Einsparungen verkaufe.»
    Frank war eigentlich mal Anwalt geworden, um den Armen zu helfen. Doch nach dem Jurastudium stellte er fest, dass Leute, die den Armen helfen, selber arm bleiben. Und da er eine Familie ernähren wollte, nahm er eine Stelle in der Rechtsabteilung einer Bank an und war jetzt dort für Restrukturierungen und das Zeichnen von Organigrammen zuständig. Er litt sehr unter seiner Aufgabe. Es war ja auch schwer, den Menschen zu sagen, dass sie entlassen werden sollten. Wie sollte man so eine Rede überhaupt einleiten? Wohl kaum mit: «Dreimal dürfen Sie raten, wessen Chefs sich völlig verspekuliert haben», oder mit: «Ab jetzt müssen Sie sich nicht mehr über Ihren Abteilungsleiter aufregen», oder mit: «An Ihrer Stelle würde ich in Zukunft mein Essen im Garten anbauen»?
    Ich versuchte seine Anspannung mit einem Scherz aufzulockern: «Stubenarrest gibt es nicht, dafür aber Sexentzug.»
    «Wie bitte?» Er verstand nicht ganz.
    «Du musst dich entscheiden: deine Arbeit oder Sex mit mir heute Nacht. Was soll es sein?»
    «Na ja …», überlegte er.
    Er überlegte tatsächlich!
    Au Mann, ich hatte ja immer gedacht, dass meine eigenen Eltern früher kaum Leidenschaft hatten. Aber auch wenn sie kaum zärtlich miteinander waren, hatten sie mit über fünfzig immer noch Sex, wie ich einmal leidvoll feststellen musste, als ich als Teenager aus Versehen in ihr Schlafzimmer kam – es sah aus,
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