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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family
Autoren: David Safier
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unverstandene Cinderella, die nur von einem Prinzen aus ihrem schlimmen Schicksal befreit werden konnte. Oder von der Volljährigkeit.
    Dabei liebte ich beide Kinder, auch wenn ich sie manchmal gerne gegen zwei Wellness-Massagen eintauschen wollte. Manchmal, in den wenigen und immer seltener werdenden harmonischen Momenten, die ich mit ihnen hatte, liebte ich sie sogar so sehr, dass es wehtat. Es war der schönste Schmerz in meinem Leben.
    Ich vermutete, oder besser gesagt, ich hoffte, dass die beiden Geschwister sich insgeheim ebenfalls liebten. Auch hoffte ich, dass Frank und ich uns immer noch – unter all dem Alltagsstress – so liebten wie früher. Aber wenn das alles wirklich so war, wenn wir uns alle liebten, warum war es dann nicht wie früher? Warum mussten wir uns fast jeden Tag streiten? Warum musste ich sie alle dazu zwingen, dass wir gemeinsam etwas unternahmen? Wann hatten wir überhaupt das letzte Mal als Familie etwas miteinander unternommen?
    Während ich mich dies fragte, erkannte ich, dass es an diesem Abend nicht nur darum gehen würde, Lena zu beeindrucken oder meinen Laden zu retten: Wir Wünschmanns würden auch das erste Mal seit langem wieder etwas als Familie machen. Womöglich würden sie sehen, wie viel Spaß wir zusammen haben. Schließlich machten wir mit dem Besuch der Buchpremiere etwas ganz Außergewöhnliches. Und vielleicht, ganz vielleicht, würden wir an diesem Abend sogar wiederfinden, was wir als Familie verloren hatten.

    Als wir alle mit den Kostümen in unserem alten Ford saßen, war ich schon ein bisschen stolz auf uns, denn wir sahen imposant aus: Papa, das Frankensteinmonster, meine Tochter, die Mumie, mein Sohn, der Werwolf, und ich, der unglaubliche Vampir mit Brille. Vier Monster auf dem Weg in die große weite Welt!
    Die Stimmung bei den anderen war nicht ansatzweise so gut wie meine: Max las eins seiner Bücher, Frank beschwerte sich, weil er mit seinem riesigen Frankensteinkopf bei jedem Schlagloch gegen das Autodach stieß, und Fee simste in einer Tour. Ich verstand einfach nicht, warum sie andauernd simste oder chattete. Ich verstand so vieles nicht bei ihr: warum sie sich ständig Kopfhörer in die Ohren stopfte, warum sie ihren jungen, schönen Körper mit Tattoos verunstaltet hatte oder warum es eine solch unüberwindliche, herkuleshafte Aufgabe sein sollte, mal die Spülmaschine auszuräumen.
    Andererseits, meine Mutter hatte früher auch nicht alles bei mir verstanden: warum ich wie
Material Girl
Madonna rumgelaufen war, warum ich so laut Duran, Duran hörte und schon gar nicht, warum ich auf Don Johnson stand (zugegeben, wenn ich heute zufällig eine Wiederholung von
Miami Vice
sah, fragte ich mich das auch: Don trug Pastellanzüge, einen Vohukila und war schätzungsweise 1,23 Meter groß).
    Womöglich stimmte es, was mir Fees Klassenlehrerin gesagt hatte: Die Synapsen im Gehirn des Teenagers werden in der Pubertät neu verdrahtet. Übersetzt hieß das dann wohl, man konnte an das Teenagerhirn ein Schild hängen mit der Aufschrift:
Wegen Umbau geschlossen
.
    Ich beschloss daher, mir von Fees Synapsen nicht den Abend verderben zu lassen. Je ruhiger ich blieb, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass wir heute alle miteinander Spaß haben konnten. Im Radio lief gerade
Rastaman Vibration
von Bob Marley. Ein Lied, das ich früher geliebt hatte, so machte ich lauter und sang mit: «It’s a new day, a new time and a new feeling …»
    Dabei wurde mir warm ums Herz in der Hoffnung, dass es heute Abend vielleicht wirklich ein neuer Tag für unsere Familie werden würde, der eine neue Zeit einläutete, mit einem neuen Gefühl.
    Ich sang so lange, bis Fee maulte: «Muss das sein, Mama?»
    «Ach, ist das jetzt wieder peinlich?», fragte ich pikiert.
    «Nein, ist es nicht», erwiderte Fee.
    «Ist es nicht?», fragte ich freudig überrascht.
    «Nein», lächelte sie, «das ist einfach nur Scheiße.»
    Es würde sicherlich nicht einfach werden, sich den Abend von ihren Synapsen nicht verderben zu lassen.
     
    Kurz darauf fuhren wir vor dem edlen Ritz-Carlton-Hotel vor, und ich verkündete: «Gleich sehen wir Stephenie Meyer.» Wohl wissend, dass keiner von meiner Familie ein Fan der Autorin war. Fee las außer SMS eigentlich gar nichts, Frank hatte ohnehin keine Zeit zum Lesen, und Max waren Meyers Vampire zu «kindisch», er stand mehr auf Zombies, Orks und Barbaren.
    Wir gingen über einen roten Teppich in das Hotel und wurden in einen herrschaftlichen Saal
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