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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein
Autoren: Rae Carson
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würden.«
    Seine Schultern entspannen sich, und der Hauch eines Lächelns huscht über seine Lippen. Er nickt. »Wie du wünschst.«
    Ich wende mich ab und lasse mich aufs Bett fallen. Die Rosenblüten geraten in Unordnung und rutschen auf den Boden. Ich bin unendlich erleichtert. Und gleichzeitig auch enttäuscht, dass er so schnell eingewilligt hat – es wäre nett gewesen, sich zumindest ein bisschen begehrt zu fühlen.
    Mit verschränkten Armen lehnt sich König Alejandro gegen einen der massiven Bettpfosten. Nun betrachtet er mich entspannt; vermutlich ist er ebenso erleichtert wie ich. Im Kerzenlicht ist sein Haar von tiefroten Reflexen durchzogen, wie die Sierra Sangre in der Abendsonne. »Nun denn«, sagt er gut gelaunt. »Dann können wir uns ja unterhalten.«

    Er hat eine so angenehme Stimme. Dunkel und warm. »Unterhalten?«, wiederhole ich geistreich.
    Seine leicht gekräuselten Lippen verziehen sich zu einem breiten Lächeln, und es ist, als ginge in einer Sommernacht der Mond am Himmel auf. »Es sei denn, du ziehst es vor, mit einem Fremden verheiratet sein.«
    Verheiratet  …
    Plötzlich erscheint das alles so albern, dass ich das Kichern nicht unterdrücken kann, das mit einem Mal in mir aufsteigt. Hastig halte ich mir die geballte Faust vor den Mund und lache in meine Knöchel hinein.
    »Ich muss zugeben, dass ich mich ein wenig seltsam fühle«, sagt er, »aber es würde mir dennoch nicht einfallen, über unsere Lage zu lachen.«
    Seine Worte bringen mich wieder zur Vernunft. Schnell sehe ich ihn an, weil ich fürchte, ihn verärgert zu haben, aber er lächelt noch immer, und auch die kleinen Fältchen um die Augen sind noch da.
    Jetzt gelingt es mir, zurückzulächeln. »Es tut mir leid, Euer Majestät …«
    »Alejandro.«
    Ich schlucke. »Alejandro.« Sein verständnisvoller Blick löst die Blockade in mir, und Worte strömen aus meinem Mund. »Papá und Alodia haben immer gesagt, ich würde zum Segen Orovalles heiraten. Das habe ich schon vor Jahren akzeptiert. Aber ich bin erst fünf… sechzehn. Ich hatte gehofft, dass ich noch Zeit haben würde … und ich habe nicht erwartet … ich meine, du bist sehr …« Kurz versichere ich mich, dass noch immer kein Spott in seinem Blick liegt. »Du bist sehr nett«, beende ich meinen Ausbruch etwas lahm.

    Er geht zur Bank in der Fensternische. »Gibst du mir ein Kissen?«
    Ich nehme eins vom Bett, rund, mit langen roten Fransen, und schüttele die Rosenblüten ab, bevor ich es ihm zuwerfe. Er fängt es elegant, dann zieht er die langen Beine auf die Bank und hält das Kissen in seinem Schoß. Mit den angezogenen Knien und seinem offenen Blick sieht er plötzlich gar nicht mehr so viel älter aus als ich.
    »Also«, sagt er und sieht zur Decke. Ich bin froh, dass er unser Gespräch eröffnet. »Gibt es irgendetwas über mich oder über Joya d’Arena, das du gern wissen möchtest?«
    Ich denke darüber nach. Einiges weiß ich schon – dass seine erste Frau im Kindbett starb, dass sein Sohn sechs Jahre alt ist und dass Invierne seine Grenzen noch stärker bedroht als die unseren, weil unsere Feinde unbedingt einen Hafen und den Zugang zum Meer erobern wollen. Joya besteht größtenteils aus Wüste, verfügt aber über reiche Silber- und Edelsteinvorkommen, und an den Küsten wird viel Viehzucht betrieben. Es gibt nicht viel, was ich nicht schon wüsste. Außer …
    »Nun, was denn?«, hakt er nach.
    »Alejandro … was willst du? Von mir?«
    Sein Lächeln erlischt. Für einen kurzen Augenblick fürchte ich, ihn erzürnt zu haben, so wie ich Alodia mit meinen Fragen stets verärgere, aber dann bewegt er den Kopf, und das Licht scheint weich auf die Konturen seines Kinns, zeichnet eine Linie, die sanft zum Haaransatz hinaufreicht.
    Er seufzt. »Unsere Ehe ist Teil eines Bündnisses, das ich mit deinem Vater geschlossen habe. Und es gibt Dinge, bei denen du mir helfen kannst. Aber vor allem …« Er fährt sich
mit der Hand durch das dichte schwarze Haar. »Vor allem könnte ich eine Freundin brauchen.« Damit sieht er mich erwartungsvoll an.
    Eine Freundin. Mein Tutor, Meister Geraldo, ist mir ein Freund, nehme ich an. Meine Kinderfrau Ximena und Lady Aneaxi ebenfalls, obwohl sie mehr wie Mütter zu mir sind. Vermutlich könnte auch ich gut einen Freund gebrauchen. »Freund« ist ein beruhigendes Wort und gleichzeitig ein schmerzvolles, aber es klingt nicht annähernd so einschüchternd wie »Ehefrau«.
    Es ist eine aufregende Vorstellung,
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