Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Graf

Der falsche Graf

Titel: Der falsche Graf
Autoren: Edna Schuchardt
Vom Netzwerk:
Abgrund schwebte.
    "Ich bin schon da", hörte sie Simons Stimme ganz in ihrer Nähe. Unendliche Erleichterung durchflutete sie. Er würde ihr helfen, das wusste sie. Sie musste sich nur tapfer festhalten, durfte nicht loslassen.
    "Eine Leiter, ein Brett?" Gehetzt sah Simon um sich. Tante Miene deutete auf den Heuboden. Tatsächlich, dort lehnte das Gesuchte. Zusammen mit Ottokar trugen sie die Leiter zum Schacht, legten sie quer darüber, dann begann Simon auf allen Vieren vorsichtig darauf Sprosse für Sprosse vorwärts zu kriechen. Ottokar näherte sich von der anderen Seite auf dieselbe Weise. Als sie Conny erreicht hatten, packten sie gemeinsam ihre Arme, zogen sie soweit hoch, dass Simon ihren Oberkörper umfassen und sie auf die Leiter ziehen konnte. Das Ding schwankte gefährlich als sie zurückkrochen, aber sie erreichten alle drei wohlbehalten den sicheren Grund.
    "Oh, Simon!" Aufschluchzend warf sich Conny an seine Brust. "Ich hatte wirklich geglaubt, jetzt sei alles vorbei."
    "Das ist es doch auch", flüsterte Simon tröstend. "Du hast es überstanden. Schau, wir leben alle noch."
    "Und die Polizei ist auch schon unterwegs", verkündete Ottokar, wobei er stolz sein Handy schwenkte.
    "Kümmert sich vielleicht auch mal jemand um mich?" Jenny stand unter der geöffneten Stalltür. Sie bot einen jämmerlichen Anblick. Das ehemals sonnengelbe Kleidchen starrte vor Schmutz, Reste ihres Make-ups klebten wie kleine hellbraune Inseln in ihrem Gesicht, die Wimperntusche war verlaufen und das lange blonde Haar sah aus wie ein zu heiß gewaschener Staubwedel. Ihre ganze Schönheit hatte sich in schmutziggraue Jämmerlichkeit aufgelöst. Ein gerupftes Hühnchen, das trotzig auf seinen Platz im Rampenlicht beharrte.
    "Ich bin entführt worden, ich musste die ganze Nacht und den ganzen Tag in einem blöden Heuschober zubringen und dann hat mich der Kerl auch noch in den Kofferraum gesperrt!" Sie stampfte mit dem Fuß auf. "Ist das vielleicht nichts?"
    "Oh, Jenny." Conny schmiegte sich an Simons Brust, während sie zugleich zu ihrer Schwester hinüberlächelte. "Sei doch froh, dass du es überhaupt überstanden hast."
    "Und das wir keinen Hörsturz bekommen haben", murmelte Simon spottend. "Deine Schwester hat eine Stimme wie eine Schiffssirene."
    Er wollte seinen Worten noch etwas hinzufügen, aber das Heulen mehrerer Martinshörner, das sich rasch näherte, unterbrach seine Rede. Blaue Lichter zuckten in der Dunkelheit, Motoren dröhnten, Bremsen kreischten, Türen flogen auf, eilige Stiefelschritte die sich dem Stallgebäude näherten. Dann erschienen Männer in grünen Uniformanzügen an der Tür. Sie nahmen Aufstellung, die Mündungen ihrer Maschinengewehre waren genau auf die fünf Menschen gerichtet, die völlig entgeistert zurückstarrten.
    Für einen Augenblick herrschte absolute Stille, dann ballte Jenny ihre Hände zu zwei wütenden kleinen Fäusten. Sie legte den Kopf zurück, ihr Körper versteifte sich, so wie früher, als Kleinkind, wenn sie einen ihrer gefürchteten Trotzanfälle bekam. Ihr Mund öffnete sich und entließ einen Schrei, der allen Anwesenden die Nackenhaare sträubte und die Gehörgänge kräuselte. Sie hörte erst auf, als Ottokar ihr eine schallende Ohrfeige versetzte.

21. Kapitel
    Kommissar Franz Steinbichler fühlte sich sichtlich unwohl in seinem feinen Zwirn. Er hatte ihn extra für diesen Besuch angelegt, weil seine Frau der Meinung gewesen war, dass man nicht in einem zerknitterten Ausverkaufshemd und Billig-Jeans in einem Fünf-Sterne-Hotel aufkreuzen konnte. Die Gute mochte ja Recht haben, aber der Anzug und das frisch gebügelte Hemd waren bei dieser Hitze absolute Folterwerkzeuge. Er beneidete glühend die Gäste, die einige Meter entfernt fröhlich im See herumplanschten.
    "Und, welche Neuigkeiten haben Sie für uns?", wollte Tante Miene wissen, der die ganze Geschichte zu lange dauerte. Seit zehn Minuten saß der Kommissar auf der Privatterrasse der Kronbergs, trank ein Glas Limonade nach dem anderen und starrte zum See hinüber, als warte er darauf, dass ihm von dort die göttliche Erleuchtung erschien.
    "Ah, ja!" Fritz Steinbichler riss sich zusammen. Er wandte den Kopf und sah die Anwesenden an, die wiederum ihn erwartungsvoll anblickten. "Also, der Fall ist aufgeklärt", begann er umständlich und nahm noch einen Schluck von seiner Limonade. Der dritten, wie Miene im Stillen konstatierte. "Herr Platzek hat noch in derselben Nacht im Krankenhaus ein unfangreiches
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher