Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der falsche Graf

Der falsche Graf

Titel: Der falsche Graf
Autoren: Edna Schuchardt
Vom Netzwerk:
äußerst wertvoll war, hatte sie auf den ersten Blick erkannt. Allein die Rubine und Diamanten, die den Deckel zierten, mussten etliche zahntausend Euro bringen. Ganz zu schweigen von der Miniatur im Inneren. Kein Wunder, dass die Entführer hinter dem Kleinod her waren. Aber was mochte es mit dem Schmuckstück auf sich haben? Für ein paar zehntausend Euro machten die Verbrecher sicherlich nicht solche Aufzüge! In der Hoffnung, vielleicht einen Mikrofilm mit wichtigen Werksdaten zu finden, hatte Tante Miene das Medaillon genauestens untersucht, doch es mochte sein Geheimnis nicht preisgeben. Jetzt lauschte sie aufmerksam dem Bericht über das Telefongespräch.
    "Und Sie konnten die Stimme nicht erkennen?", erkundigte sie sich, nachdem Conny zum Ende gekommen war.
    "Nein, absolut nicht." Sie schüttelte den Kopf. "Der Mann hat seine Stimme verstellt."
    "Na, gut!" Resolut stand Miene auf und begann in ihrem kleinen Wohnzimmer auf und ab zu gehen. "Wissen Sie, wo der Gantler-Hof ist?" Als Simon und Conny verneinten, trat sie an ihren Sekretär und entnahm ihm eine Landkarte. "Sehen Sie her." Mit dem Zeigefinger tippte sie auf einen Punkt, weit abgelegen von jeder Ortschaft. "Es führt nur ein schmaler Feldweg dorthin. Ich kenne das Gehöft. Es steht seit Jahren leer, die Erben können sich nicht einigen, was damit geschehen soll. Vor drei Jahren ist das Haupthaus abgebrannt, aber der Stall steht noch. Und das ist unsere Chance."
    Gespannt sahen Simon und Conny die alte Dame an.
    "Es gibt dort nämlich einen Brunnen", fuhr Miene fort. "Wenn es uns gelingt, den falschen Graf dahin zu locken, dann haben wir gewonnen."
    "Und wie soll das gehen?" Conny war skeptisch.
    "Mit List und Tücke." Tante Miene grinste wie ein Faun. Das Abenteuer begann ihr Spaß zu machen. "Wir üben das noch, Kindchen." Sie sah auf die Uhr. "Jetzt haben wir erst mal anderes zu tun." Resolut stemmte sie die Fäuste in die Seiten. "Sie beide lenken diesen falschen Graf ab und Herr Schmittchen und ich fahren zum Hof. Sollte der Graf das Hotel verlassen, informieren Sie uns bitte über das Handy." Sie nahm das kleine, tragbare Telefon aus dem Sekretär, prüfte, ob der Akku genügend Kapazität hatte und steckte es ein. "Und jetzt, auf, auf, an die Arbeit. Wir haben bis Mitternacht viel zu tun."
    Ottokar Schmittchen hatte sich Gott sei Dank von seinem nächtlichen Schrecken erholt. Voller Tatendrang eilte er mit Miene zu seinem Wagen.
    "Aber denke daran, du bist nicht Null-Null-Sieben und ich nicht Emma Peel", ermahnte sie ihn, als er hinters Steuer rutschte. "Fahre bitte manierlich."
    "Aber natürlich, meine Liebe." Ottokar lächelte milde. Er drehte den Schlüssel, legte den Gang ein und gab Gas. Mit heulendem Motor schoss der Ford vom Parkplatz.
    Sie nahmen denselben Weg, den Ottokar schon gestern Nacht gefahren war. Doch diesmal ließ er das Auto nicht auf dem Pfad stehen, sondern folgte diesem durch den Wald bis sie auf ein Plateau gelangten. Wie ein Faden schlängelte sich der Weg durch saftige Wiesen auf ein Gehöft zu, von dessen Wohnhaus nur noch ein paar verkohlte Wände standen. Einstmals musste es ein prächtiges Gebäude gewesen sein. Jetzt konnte man diese Pracht nur noch ahnen. Trauer überkam den Betrachter, wenn er das eingestürzte Dach sah, dessen Balken wie verkohlte Knochen anklagend in den Himmel ragten.
    Das Stallgebäude war aus massiven Steinen errichtet. Die ehemals schneeweiße Fassade jetzt vom Ruß geschwärzt, zeigte an einigen Stellen deutliche Spuren des Verfalls: Fenster waren geborsten, Mauerwerk lag frei, doch das große, hölzerne Tor hing noch gerade in den Angeln. Mit vereinten Kräften schoben sie es auf und betraten das Innere. Spinnweben hingen von den Balken. Es roch nach Staub, altem Heu und vertrockneten Exkrementen. Suchend den Blick zu Boden gerichtet, begann Tante Miene systematisch auf und ab zu gehen. Plötzlich blieb sie stehen, bückte sich und klopfte mit der Faust auf den Fußboden.
    "Hier ist es." Rasch fegte sie mit den Händen Heu und Unrat weg. Eine große, hölzerne Klappe kam zum Vorschein. "Darunter ist der Brunnen."
    Ottokar nickte. Er kehrte zum Wagen zurück, kam aber gleich wieder mit einer riesigen Werkzeugkiste zurück. Sachkundig begann er, die Bretter der Holztür anzusägen.
    "So, das reicht." Zufrieden mit seinem Werk richtete er sich schließlich auf. "Wenn er da drauf tritt, ist er weg."
    "Sehr gut." Tante Miene tätschelte liebevoll seinen Rücken. "Du bist eben doch der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher