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Der Fall von Katara

Der Fall von Katara

Titel: Der Fall von Katara
Autoren: Theo L. Wuldt
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er auch gleich etwas Rattenspeck organisieren. Er ging zum Kleiderschrank und holte die Ganzkörperburka hervor, die neuerdings von den Männern Kataras getragen werden musste, um Sitte und Anstand zu wahren. Er hüllte seinen Körper damit ein, bis nur noch die Augen aus dem beigen Stoff herausschauten, nahm seine Tasche mit den wichtigsten Unterlagen und ging nach draußen. Die Straßen von Usiris erwachten zu neuem Leben.
    Er hatte einen langen Weg vor sich, und wenn es die klimatischen Bedingungen erlaubten, würde er das Gesundheitsamt in einer halben Stunde erreicht haben. Das Wetter heute schien wieder unerträglich heiß zu werden. Zum Glück gab es viele unterirdische Süßwasserquellen und Brunnen in Katara, an denen man seinen Durst stillen konnte. In weiter Ferne erkannte er den blassen Mond, der der Helligkeit des Tages wich. Die Wissenschaftler von Tenemos hatten herausgefunden, dass durch die geringe Gezeitenreibung eines einzigen Kontinentes weniger Zentrifugalkraft auf den Mond ausgeübt wurde. Somit näherte sich Ksena jedes Jahr um einige Zentimeter, anstatt sich zu entfernen, wie es bisher der Fall war.
    Erek lief eine von Zappelpalmen gesäumte Allee entlang, die ins Stadtzentrum von Usiris hineinführte. Er sah auf seinem Weg, wie die Threber ihrem Alltagstrott nachgingen, wodurch so langsam wieder etwas Geschäftigkeit in die Straßen der Stadt zurückkehrte. Auch etliche Werbungs-Holografien bewarben ihre Produkte schon am frühen Morgen. Erek bemerkte, dass kaum mehr Luftgleiter oder Jet-Packs unterwegs waren. Das lag daran, dass die Menschen in diesem Wohngebiet finanziell unterversorgt waren. Vor nicht allzu langer Zeit gab es zwar noch eine sehr hohe Verkehrsdichte in den Vorstädten von Usiris, aber mittlerweile musste jeder sein Flugzeug verkaufen, weil unlängst die Wasserstoffpreise explodiert waren. So musste man sich umstellen und reiten lernen, wenn man schnell vorwärtskommen wollte. Infolgedessen waren mancherorts komische Kreaturen auf den Straßen zu sehen. Gezähmte Riesenstabheuschrecken beispielsweise wurden zu einem kostengünstigen Fortbewegungsmittel und waren, sofern sie keine Fressattacken bekamen, leicht in der Handhabung.
    Auch hedonische Händler auf Langhaarkamelen oder Voltaner mit Kurzhalsgiraffen, die ihre Solarpanels hier in der Gegend feilboten, waren ein ziemlich ungewohnter Anblick für Erek. Viele Menschen passierten diese Megastadt, weil Usiris sehr zentral gelegen war. Auf diesem Weg strömten neue Ideen und Einflüsse nach Katara. Gut sortierte Zwischenhändler waren hier ständig auf der Durchreise und trugen zu einem abwechslungsreichen Bild bei. Erek flanierte gern durch die Märkte in der Innenstadt, wobei er ein kritischer Konsument war und sich nicht jeden Ramsch andrehen ließ. Er musste dummerweise sein Geld zusammenhalten.
    Er war schon zwei Kilometer gelaufen und tauchte nun in das Gewimmel enger Gassen ein, in denen nur noch gemeines Fußvolk unterwegs war. Er steuerte einen kleinen Laden an, den er oft frequentierte, und stieg die Eingangstreppe hoch, die das bisschen Ungeziefer von der Straße abhalten sollte. Er schob das Fliegengitter zur Seite, während er aus Versehen ein Mobile mit katarischen Gebetsglöckchen anstieß, das über dem Türrahmen hing. Man hatte es dort angebracht, um böse Geister oder zahlungsunfähige Kunden abzuwehren. Ein sphärischer Klang vibrierte durch Raum und Zeit. Die Töne schienen wie aus einer anderen Galaxie zu kommen.
    Der Verkäufer schaute Erek skeptisch an, weil er ihn nicht sogleich erkannt hatte. Die neue katarische Kleiderordnung führte oft zu Verwechslungen und war auch total sinnlos wie alles andere, was sich die Politiker in letzter Zeit ausgedacht hatten. Die meisten Bürger Kataras waren jedoch unverschämt pflichtbewusst und würden sich wahrscheinlich nicht einmal dann gegen die Staatswillkür wehren, wenn man sie zwänge, Papierhüte zu tragen.
    „Erek, bist du es?“, fragte der Verkäufer. Erek entfernte die Kapuze.
    „Ja klar. Schau! Ich bin es. Und? Wie sieht es nun aus? Hast du endlich frischen Rattenspeck bekommen?“, erkundigte sich Erek bei ihm.
    „Ja. Den habe ich heute frisch hereinbekommen“, sagte der Verkäufer, holte mehrere Schwarten aus seiner Kühlbox heraus und zeigte sie ihm.
    „Etwas grünlich die Farbe, findest du nicht?“, mäkelte Erek.
    „Das hier ist der feinste forensische Rattenspeck, den ich kenne. Die Farbe kommt von den Grünalgen, die die Ratten für
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