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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas
Autoren: Eberhard Sandschneider
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befriedigt. Bildprägung, das Internet und die Privatisierung der Berichterstattung beschleunigen unseren Umgang mit Informationen. Sie beschreiben Ereignisse in größerem Detail, tragen aber zur abstumpfenden Hetze bei, mit der unsere Aufmerksamkeit fast tagtäglich auf neue Katastrophen gezogen wird.
    Globale Betroffenheit ist nicht mehr nur ein Schlagwort. Wir haben gelernt, dass die Ursachen für Entwicklungen, die unser eigenes Leben unmittelbar betreffen, in Weltregionen liegen können, die wir vielleicht nur mit Mühe auf der Landkarte finden. Das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier in Südostasien lässt Erreger entstehen, die unsere Lebensgewohnheiten verändern. Wir verbringen mehr Zeit an Flughäfen, um Sicherheitskontrollen über uns ergehen zu lassen, weil Terroristen in ihren Unterschlupfen in Afghanistan, Pakistan, Somalia oder dem Jemen Anschläge auf Verkehrsflugzeuge planen. Was selbst in entlegenen Weltregionen passiert, betrifft uns zunehmend und mit wachsender Geschwindigkeit.
    Staatliche Kapazitäten reichen zur Bewältigung, schon gar zur Verhinderung von unerwarteten Schocks und Katastrophen nicht mehr aus. Selbst die USA waren beim Wirbelsturm über New Orleans über Tage und Wochen unfähig, notwendige Hilfsleistungen bereitzustellen oder sinnvoll zu koordinieren. Wie viel weniger können das die schwachen Staaten in anderen Teilen der Welt, die zudem in aller Regel noch häufiger mit solchen Entwicklungen umgehen müssen. Verstärkte internationale Zusammenarbeit zu fordern, ist zu einfach. Die Fähigkeit von Institutionen wie den Vereinten Nationen, die dafür eigentlich prädestiniert wären, hängt vom Willen zur Kooperation ihrer Mitgliedsländer ab. Interessenkonflikte und fehlende Kapazitäten sorgen immer wieder dafür, dass globale Koordination bestenfalls lückenhaft ist. Aber damit nicht genug.
Schleichende Trends
    Zu den politischen und wirtschaftlichen Schocks und den verheerenden Naturkatastrophen kommen schleichende Trends, die vermehrt an Fahrt gewinnen. Einer dieser Trends sticht besonders hervor: Innovationen vor allem in der Informations- und Kommunikationstechnologie haben schon in den vergangenen Jahrzehnten zu den prägenden Faktoren von Veränderung gehört: PC, Internet und Handy – zumindest in den entwickelten Weltregionen gehören sie mittlerweile zur Normalausstattung für private und berufliche Kommunikation. Dahinter steckt ein einfacher Trend: Zugang zu Wissen ist die zentrale Voraussetzung für Innovation. Seit dem Mittelalter und der Erfindung des Buchdrucks war der Westen in dieser Frage durch seinen technologischen Vorsprung privilegiert. Jetzt ändert sich das radikal schnell. Das kreative Potenzial der nicht westlichen Welt wird mit hoher Geschwindigkeit aktiviert. »Wir werden im 21. Jahrhundert eine Explosion neuer Produkte und revolutionärer neuer Verfahren vor allem in den Bereichen Informations-, Nano- und Biotechnik erleben, die für einen neuen Nachfrageschub und weitere Wohlstandssteigerung sorgen« 13 , prognostiziert die Wirtschaftswoche . Aber der Ursprung dieser Ideen wird nicht mehr von den satten Europäern, sondern von den bildungshungrigen Massen in Asien kommen.
    Sollten die derzeitigen technologischen Entwicklungen ungebrochen weitergehen, wird die Menschheit erstmals in ihrer Geschichte in der Lage sein, ihren gesamten Pool an Kreativität und Intelligenz zu nutzen. Die Masse dieses Pools wird aber nicht mehr wie in der Vergangenheit westlich oder europäisch sein. Sie wird aus den Teilen der Welt kommen, die bis vor Kurzem noch durch den sogenannten »digital divide«, also den Informationsgraben zwischen entwickelter und unterentwickelter Welt, von der Teilhabe an globaler Kreativität abgeschnitten waren. Am erfolgreichsten werden diejenigen sein, die ihn am schnellsten überwinden.
    Dass diese Prozesse nicht mehr ausschließlich westlich dominiert sein werden, mag manchem als Szenario schon bedrohlich genug erscheinen. Aber während Bildung und technologische Entwicklung die Welt näher zusammenbringen und neue Potenziale der Globalisierung freisetzen, lassen sich gleichzeitig auch gegenläufige Trends beobachten, die uns noch bedrohlicher erscheinen. Dies gilt vor allem für die zunehmende religiöse Radikalisierung . Trotz Aufklärung und Wissensvermehrung ist die Macht der Religion in vielen Teilen der Welt ungebrochen. Im vergangenen Jahrzehnt haben sich der Einfluss von Religion und ihre Wirkungsmacht in der
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