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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas
Autoren: Eberhard Sandschneider
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internationalen Politik eher gesteigert als verringert. Zwischen den großen Weltreligionen droht vor allem der seit Jahrhunderten schwelende Grundsatzkonflikt zwischen Christentu m und Islam zum neuerlichen Fundamentalkonflikt zu werden. Bibel und Koran – »Betriebssysteme zweier Weltreligionen« 14 , wie der Spiegel schreibt – stehen einander unversöhnlich, so scheint es, gegenüber. Während einige Stimmen in den Unruhen in Nordafrika zu Beginn des Jahres 2011 bereits die Geburtsstunde der Demokratie in der arabischen Welt erkennen wollten, ergab eine Umfrage unter ägyptischen Jugendlichen, dass für 96 Prozent von ihnen Religion in ihrer Wichtigkeit an erster Stelle stand. Trotz Twitter und Facebook zeigen religiöse Werte beachtliches Beharrungsvermögen und bilden so die Grundlage für religiöse Radikalisierung. Ob so westliche Erwartungen an Demokratisierung tatsächlich erfüllt werden können, sei dahingestellt. Die üblichen ökonomischen und strukturellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Demokratisierung fehlen in allen betroffenen arabischen Staaten.
    Die Hoffnungen auf ein Ende des ideologischen Zeitalters haben sich nicht erfüllt. Sie sind der Befürchtung gewichen, nach dem Scheitern des kommunistischen Modells könnte der Islam der einzige massenwirksame Gegenentwurf zum westlichen Modell einer Gesellschaft werden. Und letztlich zählen bei diesem Wettbewerb der Religionen nicht nur Glaubensinhalte, sondern auch die Glaubensverbreitung. Während die Zahl der Muslime weltweit zunimmt, schrumpft der Anteil der Christen deutlich. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren beschleunigt fortsetzen. Seit dem Jahr 1900 hat sich die Zahl der Christen aller Konfessionen immerhin rund vervierfacht, jedoch vor allem weil in Lateinamerika und Afrikadie Zahl der Gläubigen von zehn Millionen auf 400 Millionen gestiegen ist. Die Dominanz der Europäer innerhalb des Christentums ist verloren gegangen. Die Zahl der Muslime ist aber im gleichen Zeitraum um das Siebenfache gestiegen. 15
    Daraus ergibt sich eine klare Konsequenz: Die Rückkehr der Religion 16 wird in ihrer weltpolitischen Bedeutung noch verstärkt durch die schnelle Verschiebung der Alters- und Bevölkerungsstruktur , die ideologisch, aber auch wirtschaftlich und sozial ihre Wirkung zu zeigen beginnt. Die Botschaft ist einfach und deutlich: Im Westen werden wir weniger und älter, die anderen sind jung und werden mehr. An einschüchternden Szenarien fehlt es nicht. Am Beispiel Deutschlands lässt sich dieser Trend eindrucksvoll verdeutlichen: »Seit dem Pillenknick in den 60er-Jahren ist die Geburtenrate in Deutschland von statistisch 2,6 auf 1,3 Kinder je Frau gesunken – um die Bevölkerung konstant zu halten, wären aber 2,1 Kinder nötig. Allein 2006 ist Deutschland um 130.000 Einwohner geschrumpft. Damit einher geht eine dramatische Alterung der Gesellschaft. Wenn ab 2015 die Babyboomer in Rente gehen, verschiebt sich das Verhältnis von Erwerbstätigen und Rentnern immer stärker: 2030 werden auf 100 Erwerbstätige rund 50 Ruheständler kommen, im Jahr 2050 sogar 60. Während die Zahl der unter 20-Jährigen bis dahin von 16 auf fünf Millionen schrumpft, klettert die Zahl der über 65-Jährigen von 16 auf 23 Millionen.« 17 Auffangen könnte man diese Entwicklung wohl nur durch erhebliche Zuwanderungsströme.
    Dementsprechend werden Migration und Integration zu beherrschenden Themen der nächsten Jahrzehnte werden. Schon heute leben nach UN-Schätzungen rund 120 Millionen Menschen außerhalb ihres Geburtslandes. Es wird in wachsendem Maße Armutsflucht geben – Menschen verlassen ihre Heimat, weil sie vor Armut, Hunger, Umweltzerstörung oder Krankheiten fliehen. Gleichzeitig wird es immer mehr erfolgreiche Wanderer der Globalisierung geben. Die nach globalen Standards ausgebildete Elite, die hochflexibel in Bezug auf ihren Lebens- und Arbeitsort ist, wird von allen Nationen mit Jobangeboten, Aufstiegsmöglichkeiten und höheren Lebensstandards umworben. Die vermeintlichen Versager will keiner, weil niemand bereit ist, die Kosten für ihre Versorgung zu tragen.
    Die reichen Länder werden versuchen, wie in der Vergangenheit gegen die Ärmeren Mauern und Zäune zu errichten. Aber durch Grenzen allein sind Menschen auf Dauer nicht aufzuhalten. Die USA und Europa werden verstärkt zu Zielregionen sowohl der Entwurzelten als auch der gut ausgebildeten Aufsteiger aus Drittländern in Asien, Afrika und Lateinamerika. Natürlich ist
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