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Der Engelspapst

Der Engelspapst

Titel: Der Engelspapst
Autoren: Jorg Kastner
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Kameraden an.
    «Gleich wirst du alles verstehen, Alex.» Auch Utz machte sich auf den Weg nach oben.
    Alexander stieß einen unwilligen Seufzer aus und folgte ihm.
    Er wischte mit dem Unterarm über seine Augen, aber das Bild verschwand nicht. Was er sah, war wie ein Albtraum, doch hätte er aus einem Albtraum wenigstens erwachen können. Mit bösen Träumen kannte Alexander sich aus.
    Die beiden Männer im Flur der Kommandantenwohnung lagen dort wie im Schlaf. Es war ein Schlaf, aus dem es kein Erwachen gab.

    Der ältere, mit angegrautem Haar und panisch aufgerissenen Augen, war Oberst Heinrich Rosin, Kommandant der Schweizergarde. Er trug Zivil: hellbraune Mokassins, grüne Socken, eine bequeme braune Hose und ein grünes Polohemd, das auf der Brust zerfetzt und blutgetränkt war. Der rechte Mokassin war halb vom Fuß gerutscht.
    Es sah aus, als hätte der Oberst, durch den ersten Schuss zu Fall gebracht, versucht, dem Attentäter kriechend zu entkommen. Der zweite Schuss hatte dann sein Leben ausgelöscht. Der rechte Fuß hatte sich entweder im Todeskampf oder bei dem Versuch, außer Reichweite des Killers zu gelangen, in der dicken Wolle des Läufers verhakt.
    Der jüngere Mann, bekleidet mit Puma-Turnschuhen, Levi’s-Jeans und einer schwarzen Lederjacke, musste der Mörder sein.
    Er lag auf dem Bauch. Ein Teil des Kopfes fehlte, das blonde Haar war blutverklebt. Offenbar hatte er sich nach den Schüssen auf Rosin die Waffe in den Mund gesteckt und abgedrückt. Der weggesprengte Teil seines Schädels hing als formlose Masse an der weißen Raufasertapete. Der Killer war auf den Bauch gefallen. Der rechte Arm mit der Waffe lag halb unter ihm begraben. Der Kopf war zur Seite gedreht, die Augen blickten ebenso gläsern wie die des Kommandanten.
    Merkwürdig erschien Alexander, dass der Mörder hinter seinem Opfer lag, schon halb im Wohnzimmer. Von hier aus konnte er unmöglich auf den in die Wohnung flüchtenden Kommandanten geschossen haben. Und wer floh vor seinem Mörder, indem er auf ihn zulief?
    Noch merkwürdiger aber war, dass der Killer ein Kamerad war, Gardeadjutant Marcel Danegger.
    Alexander konnte einfach nicht begreifen, was er im gelblichen Licht der schlangenartig gewundenen Flurlampe vor sich sah. Seine Gedanken kreisten um das seltsame Bild, ohne zu irgendeinem Ergebnis zu gelangen. Nur unterschwellig hörte er, was Parada, Tessari und von Gunten redeten.
    «Der Chef ist in Sicherheit», meldete Tessari; er sprach vom Papst. «Plan Giovanni.»
    «Was heißt das?», fragte von Gunten.
    «Jedes Geheimversteck für den Chef trägt einen anderen Namen», erklärte Parada.
    «Das weiß ich», schnarrte der Oberstleutnant aus dem Kanton Uri. Seine raue Kommandostimme verriet den ehemaligen Offizier der Panzergrenadiere. «Welches Versteck verbirgt sich hinter der Bezeichnung Giovanni?»
    «Je weniger das wissen, desto besser», versetzte Parada kühl.
    «Zum Glück hat der Apostolische Palast über zehntausend Räume.»
    «Ich bin der stellvertretende Kommandant der Schweizergarde. Und wie es aussieht, obliegt mir nun die Befehlsgewalt. Ich habe ein Recht …»
    «Ein Schweizergardist läuft Amok und erschießt seinen Kommandanten», fuhr Riccardo Parada dazwischen. «Wer garantiert mir, dass nicht noch mehr Schweizer eine Schusswaffe haben und mordlüstern durch den Vatikan laufen?»
    Von Guntens kantiger Körper straffte sich, jeder Zentimeter trotz der zivilen Kleidung ein Soldat. «Wollen Sie etwa auch mich verdächtigen?»
    «Das Vigilanzakorps garantiert die Sicherheit Seiner Heiligkeit.» Parada war lauter geworden, klang aber beherrscht.
    «Jedes überflüssige Wort kann diese Sicherheit gefährden.»
    Nach einer kleinen Pause fügte er schärfer hinzu: «Ich bin der Sicherheitschef des Vatikans. Drei Tote in einer Nacht genügen mir!»
    Drei Tote.
    Die Worte hämmerten in Alexanders Kopf, wieder und wieder, wie eine Endlosschleife. Sein Herz raste, Hitze stieg in ihm auf.

    Er hatte in seiner Verwirrung Juliette vergessen! Eine fürchterliche Ahnung befiel ihn, eine Erklärung dafür, weshalb Danegger fast im Wohnzimmer lag.
    Er sprang über die beiden Toten hinweg und betrat das modern eingerichtete Wohnzimmer mit der angrenzenden Dachterrasse.
    Vor dem mehrstufigen Glastisch, der von einer schwarzledernen Sitzgruppe umgeben war, lag Juliette Rosin. Sie hatte versucht zu fliehen, aber das tödliche Projektil war schneller gewesen und hatte sie in den Rücken getroffen. Das Weiß ihres
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