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Der elektrische Kuss - Roman

Titel: Der elektrische Kuss - Roman
Autoren: Susanne Betz
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Porträt von meinem Enkelkind wünsche ich mir.«
    Der nächste Satz Amalias von Geispitzheim zerstörte die angedeutete Zärtlichkeit des vorigen: » Manteuffel ist übrigens von seinem Kurfürsten der Orden vom Weißen Adler, den höchsten, den der sächsische Hof überhaupt zu bieten hat, verliehen worden. Was für eine Partie wäre dieser Mensch doch für dich gewesen!«
    Charlotte musste niesen. Denn der fast vergessene Mief der engen deutschen Straßen und Schlösser stieg ihr erstaunlich gegenwärtig in die Nase. Dazu kitzelte sie auch noch die staubige Borniertheit der deutschen Gelehrten im Hals. Charlotte hustete, bis sich der Reiz löste. Rebecca lachte umso mehr und wackelte mit ihren stämmigen kleinen Beinen
    Ein Windstoß stieß die Tür, die nur angelehnt war, auf, und Charlotte atmete den Gestank der dampfenden Fladen, den die Rinder des Viehhändlers vor dem Haus hinterlassen hatten. Er vermischte sich mit dem Geruch von geschältem Holz und tropfendem Harz, der in dem Haus hockte wie eine unverheiratete Tante, mit der man sich abfinden musste.
    »Erbswurstgrün.«
    Sie sagte sich das Wort mehrmals laut vor. Von solch einer Farbe hatte sie tatsächlich nur eine sehr ungewisse Vorstellung.
    Niemand konnte sich einen Reim darauf machen, warum Samuel eines Sonntags sie alle aufforderte, mit ihm einen Spaziergang zum Kloster zu machen. Wollte er, dass seine Tochter, sein zukünftiger Schwiegersohn und seine ehemalige Geliebte Bescheid wussten, was er dort trieb, wenn er an manchen Abenden verschwand, obwohl er fast bewusstlos von der schweren Arbeit war. Brauchte er Komplizen? Aber gegen wen? Der nächste Älteste, die nächste amische Gemeinde war weit weg.
    Auch Charlotte staunte über die Höhe und städtische Anmutung der Häuser von Ephrata. Die Gemüsegärten, Obstplantagen, die ordentlichen Wege, die Werkstätten und die Geräusche, an die sie nicht mehr gewohnt war. Samuel erklärte ihnen das eine oder andere. Ihnen entging nicht, wie gut sich Samuel bereits in dieser merkwürdigen Zivilisationsinsel mitten im Urwald auskannte. Wie selbstverständlich er sich hier bewegte und die Türen öffnete. Charlotte sah zufällig, wie die Sonne über die steilen Dächer floss und von da auf seinen Hut und seine Schultern. Im Gegensatz zu Felix, Manteuffel und dem guten Louis konnte sie ihn nicht klassifizieren. Er hatte sich von Anfang an ihrer Einschätzung und einer Aufgabe entzogen, die sie ihm hätte abverlangen können. Daran änderte sich auch nach den elektrischen Nächten nichts. Sie wollte nichts von ihm und er nichts von ihr, und wahrscheinlich waren sie sich nur deshalb so nahe gekommen.
    War er jetzt ein Bruder, ein Freund? Auch das konnte sie beim besten Willen nicht sagen. Im Weitergehen fasste sie ihn kurz am Ellenbogen. Zu flüchtig, um eine Reaktion zu spüren. Weder bei sich noch bei ihm. Er lächelte sie aber an, und das Sonnenlicht erreichte seinen Bart.
    Dann schlüpften sie in das Dämmerlicht einer der Häuser. Die Frauen in weißen Kutten, die dort saßen, blickten nicht einmal auf. Soweit Charlotte sehen konnte, hielten sie lange Federn in den Händen. Sie beugte sich ein wenig vor und schaute einer über die Schulter. Auf dem Tisch lag ein großes Blatt Papier.
    Das Hohelied Salomons. Dieser Satz war eingerahmt von Linien, dicht beschrieben mit Musiknoten. Nur eine Stelle in der linken Mitte des Blattes war ausgespart. Charlotte sah mit angehaltenem Atem zu, wie die Leere sich mit winzigen Strichen füllte, die zu stilisierten Blumen zusammenwuchsen. Es herrschte eine steife Stille, und Charlotte fragte sich, ob die Frauen wirkliche Menschen waren. Sie fühlte sich beklommen und ein wenig unwohl. Trotzdem ärgerte sie sich, als plötzlich vom Zimmer nebenan Männerstimmen durch die Mauer drangen. Zuerst brummig und verzerrt. Dann verständlicher.
    »Lieber Ebenezer, es ist mir herzlich egal, was dieser, dieser Hochstapler von Dufay behauptet. Alle diese Dualisten sind übrigens zu feige, um meine Experimente einmal durchzuspielen, weil sich dann die Haltlosigkeit ihrer Theorie sofort entblößen würde wie ein irisches Schankmädchen. Was mich aber wirklich enttäuscht, ich muss sagen, bis ins Mark enttäuscht, ist, dass ein Freund wie du ….«
    »Da muss ich dich unterbrechen. Das ist eine Unterstellung, die ich strikt von mir weise. Ich habe nie bezweifelt, dass es nur eine elektrische Flüssigkeit gibt. Ich frage mich nur, und dass ich Fragen stelle, wirst gerade du mir wohl
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