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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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Rechnungen, Postkarten, Reiseplänen, Fotos vom neuen Schild des Lillian’s mit Gigi darunter, einem Zeitungsausschnitt und einem Foto von Marjory, die zwischen ihren Nonnen steht, aufgereiht wie lächelnde Pinguine. Eine ungewöhnliche Stille liegt über dem Haus; ich fühle, wie tiefer Frieden sich in mir ausbreitet. Ich seufze auf. »Es ist ein gutes Leben, nicht wahr, Gracie?«, hat Pete gestern Abend geflüstert, als wir nebeneinander in der warmen Dunkelheit lagen, und ich habe genickt und mich neben ihm zusammengerollt wie ein Koalababy in seinem Beutel. Ein gutes, schönes Leben. Das ist es ganz bestimmt.
    Ich atme die feuchte Luft ein und lasse mich auf den Stuhl sinken, der ein hölzernes Knarren von sich gibt. Irgendwo in der ganzen Unordnung steckt ein Notizblock. Ich fische ihn heraus und ziehe einen Stift aus einer Jasminteedose, die jetzt als Stiftehalter dient. Ich sehe ihr Gesicht vor mir, während ich schreibe. Frisch, ohne die dicke Schicht Make-up, die sie früher immer aufgetragen hat. Sie hat noch immer dasselbe trotzige Kinn, das jetzt jedoch eher selbstbewusst als rebellisch wirkt. Ein wenig müde um die Augen – schließlich ist sie etwas älter geworden –, doch die äußerst feinen Linien kräuseln sich nach oben – Lachfältchen. Ihre dunklen, klaren Augen ziehen einen noch immer in ihren Bann. Sie verdreht sie nicht mehr, sondern lässt ihr gutes, wahres Selbst durch sie hindurchscheinen.
    Liebste Gigi,
    wie geht es dir?
    Ich schicke dir einige Zeichnungen, die du in deiner Wohnung aufhängen kannst. Sie zeigen dich und mich, einen rosa Himmel (natürlich) und Yok Lan, die eine Tasse Tee trinkt. Die anderen sollen Torten darstellen, hat man mir gesagt.
    Ich habe auf meinen unordentlichen Schreibtisch gesehen und an all die Dinge gedacht, die ich vergessen habe, dich zu fragen oder dir zu sagen, als wir telefoniert haben; es hat mich so abgelenkt, von der Kleinen zu erzählen. Wir haben den Flug bereits gebucht, damit wir rechtzeitig zum chinesischen Neujahr da sind; habe ich dir das schon gesagt? Wir werden mindestens vier Wochen bleiben, ich möglicherweise etwas länger, wenn ich nicht wegen der Arbeit früher zurückmuss. Sag Yok Lan, dass wir ihr die Schokoladenkekse mitbringen, die sie so gerne isst. So viele, wie in den Koffer passen! Ich hoffe, ihr habt noch Platz in euren Küchenschränken.
    Das Geschäft hier boomt, Gigi. Zuerst war ich skeptisch und habe es zwischen Schwimmstunden und Spielenachmittage und allem anderen eingeschoben; es sind schließlich nur Torten, obwohl sie auch ihre Zeit brauchen, vor allem wenn gewisse Leute die Glasur essen oder mit Teigfingern die Wand bemalen, aber es klappt tatsächlich. Ich habe einen Auftrag für die Eröffnung eines neuen russischen Restaurants in der Brunswick Street. Ich glaube, ich werde dunkle Schokolade mit Kirschgeistganache machen, vielleicht mit den kleinen goldenen Sternen darauf, die ich für die Lam-Hochzeit genommen habe. Was meinst du?
    Den Artikel über Marjory und den Samariterpreis von Macao habe ich bekommen; Don hat ihn mir geschickt. Sieht sie nicht wie ein Supermodel aus? Nichts als weiße Zähne und Beine bis zum Himmel. Du musst ihr sagen, dass sie nicht so kurze Röcke tragen soll, wenn sie sich mit den Nonnen fotografieren lässt; ich schwöre, ich habe noch nie eine Mutter Teresa gesehen, die so sexy ist. Ich stelle mir gerade Rilla irgendwo an der Seite vor, wie sie sich hinter einer Topfpflanze oder so versteckt. Begeistert, aber schüchtern. Zusammen verändern die beiden die Welt, eine Frau nach der anderen. Wenn ich komme, möchte ich die neuen Räume der Stiftung sehen. Vielleicht können wir eine kleine Einweihungsparty feiern? Grüß die beiden bitte ganz lieb und sag ihnen, dass ich bald komme.
    Es ist nicht mehr lange bis zur nächsten Geburtstagsparty. Ich kann es kaum glauben, und du? Vier ganze Jahre sind vergangen, seit Rilla ans Telefon gegangen ist und uns gesagt hat, dass du ein Mädchen bekommen hast. Es verschlägt mir die Sprache, wenn ich daran denke, wie groß sie jetzt ist, wo ich noch immer das Bild des kleinen Babys vor Augen habe. Ein kleines Baby mit dunklen Haaren und einem perfekten Mund. Die Zeit vergeht so schnell. Ich wünschte, wir würden uns öfter sehen, aber wir haben alles richtig gemacht, nicht wahr? Das erste Jahr war das härteste. Ich weiß nicht, wer mehr geweint hat – du oder ich oder sie. Schmerzvolle Tränen, glückliche Tränen, Tränen der Trauer und der
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