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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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einen unanständigen roten Schlüpfer habe, den ich zum chinesischen Neujahrsfest tragen kann.«
    Rilla und Gigi lachen.
    »Jede Wette«, sagt Gigi und grinst.
    »Das hätte Mama auch gefallen«, murmele ich.
    Sie drehen sich zu mir um, ihre Gesichter sind jetzt ernst.
    »Hey, keine Sorge« versichere ich ihnen. »Alles ist gut. Ich habe nur fast das Gefühl, als wäre sie hier bei uns, als hätte ich ihr die Freiheit gegeben, in den Himmel zu entschwinden oder wohin immer sie es sonst zieht. Vielleicht sieht sie jetzt gerade auf uns herab.«
    Yok Lan sieht mich an, als wüsste sie, wovon ich spreche. Da ist etwas in ihren dunklen Augen, das mich durch und durch wärmt und beruhigt. Ihr runzliges Gesicht erstrahlt zu einem Lächeln, und sie nickt. Gutes Mädchen , meine ich, sie sagen zu hören.
    Marjory umarmt mich.
    Rilla reicht mir den Teller mit den Macarons, und ich greife nach dem Pflaumenhibiskus-Macaron mit Schokoladen ganache. Pardon. Die Schalen zerkrümeln unter meinen Zähnen, die Schokolade schmilzt an meinem Gaumen und auf meiner Zunge.
    »Was ist das für ein neues Jahr?«, frage ich Gigi.
    »Du meinst, was für ein Tier?«
    »Ja.«
    »Also, jetzt haben wir das Jahr der Ratte, dann ist das nächste das Jahr des Ochsen.«
    »Das Jahr des Ochsen«, wiederholt Rilla.
    Ich sehe sie alle an. Ihre unterschiedlichen, schönen Gesichter in dem weichen Kerzenlicht. Jung und alt, unterschiedliche Farben, unterschiedliche Formen.
    Faith liegt in ihrem Kinderwagen neben mir. Ich lege ihr die Hand auf den Bauch und spüre, wie er sich mit ihrem Atem hebt und senkt.
    »Kommt, stoßen wir an«, sage ich und hebe meine Teetasse. Alle wenden sich mir zu, und Porzellan klirrt gegen Porzellan. Orange-Pekoe-Tee schwappt auf das Tischtuch, und Rilla lacht. Ich stelle mir vor, wie Mama auf mich herunterblickt und mich sieht, mich wirklich sieht. Meine Vergangenheit, alles, bis in mein Innerstes. Sie wäre stolz auf mich. Ich stelle mir ihre dunklen Augen vor, das flammend rote Haar. Es lässt mich von Kopf bis Fuß erschauern. Ihr Lächeln.
    »Auf das neue Jahr des Ochsen.«
    Alle Augen sind auf mich gerichtet.
    Ich blicke auf den Teefleck hinunter, der auf der weißen Decke erblüht. Meine Stimme bebt. »Ich werde euch nie vergessen, das verspreche ich. Keine von euch. Yok Lan, Gigi, Marjory, Rilla … und Faith.« Den letzten Namen flüstere ich. Tränen sammeln sich in meinen Augen, ich sehe alles verschwommen. »Ihr habt einen anderen Menschen aus mir gemacht.«
    Marjory lacht nervös. »Das klingt ja, als müsstest du sterben«, sagt sie freundlich, aber auch misstrauisch.
    Nur Gigi starrt mich an, kühl und ruhig. Ihr Gesicht ist so blass, als hätte sie einen Geist gesehen; alle Farbe ist daraus gewichen. Sie legt beide Hände auf die Tischdecke. Dunkelblaue Nagellacktupfer sind auf den oberen Hälften der vernachlässigten Nägel zu erkennen. Sie atmet tief und langsam ein und sieht mich einen Augenblick eindringlich an. Dann seufzt sie, als hätte sie es schon immer gewusst.
    »Sie stirbt nicht. Sie verlässt uns.«

La Promesse – Das V ersprechen
    Orange Pekoe bestäubt mit Goldpulver und einer Mascarponefüllung mit Rosengelee
    In den nächsten Tagen ist Marjory so gut wie ständig im Lillian’s, und Gigi und Rilla arbeiten jeden Tag von früh bis spät. Ich frage mich, ob sie so viel Zeit wie möglich hier verbringen – aus Sorge, dass das Lil’s bald aus ihrem Leben verschwunden sein könnte. Auch ich bin beunruhigt. Was soll aus diesem Café werden, das mich vor der Verzweiflung bewahrt, mir Hoffnung gegeben hat? Meinem Baby. Wer kann es so lieben wie ich? Das Geld spielt keine Rolle; ich habe die Investition herausgewirtschaftet, doch es ging mir nie um den Profit. Die Leidenschaft dafür, darauf kommt es an.
    Ich sitze am Fenster und kaue an der roten, entzündeten Haut an meinen Nägeln. Zwischen Faiths perfekt geformten Lippen sind kleine Sabberbläschen zu sehen. Sie lenkt mich von meinen Ängsten ab. Ich habe nichts zu tun, da die Mädchen so hart in der Küche arbeiten, also spiele ich mit Faith und starre aus dem Fenster. Ich hebe sie aus dem Kinderwagen und halte ihren kompakten Körper über mein Gesicht. Sie stößt einen Schwall von Quietschern und Lachern aus. Sie wird langsam schwerer, ihre Beine strampeln kräftig, jedes endet in einem Fuß mit einer gestreiften Socke. Ihr schwarzes Haar rahmt ihre dunklen, braunen Augen ein.
    »Ich liebe dich, kleine Faith«, flüstere ich an ihren Hals,
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