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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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leichtes Sommerkleid mit kurzen Ärmeln und einem Blumenmuster, dazu hellbraune Sandalen. Jetzt besteht kein Zweifel mehr daran, dass sie eine Frau ist. Sie lacht über unsere erstaunten Gesichter und wirbelt über die schwarz-weißen Fliesen, dass sich das Kleid um ihre nackten Beine bauscht.
    »Toll siehst du aus!«, kreischt Marjory und greift nach ihren Händen. Wir müssen alle kichern, als Rilla rot wird und schüchtern den Kopf senkt. Da klingelt die Tür.
    »Und Miss Gigi!«, lacht Marjory. Wir drehen uns um, als Gigi mit dem Kinderwagen eintritt, Yok Lan im Schlepptau.
    Gigis Gesicht ist fröhlicher als seit Monaten. Sie trägt rot, die chinesische Farbe für Glück und Reichtum. Sie trägt eine Bluse mit einem chinesischen Stehkragen zu Jeans, das Haar ist aus dem Gesicht frisiert. Die schwarze Mascara ist ihr Markenzeichen. Yok Lan hat eine dunkelblaue Bluse im gleichen Stil an und, wie es aussieht, einen Hauch von Gigis Make-up aufgelegt, ein wenig Mascara und etwas Lipgloss. Sie strahlt uns an, eine Hand auf der Schulter ihrer Enkelin, die andere auf ihrem Stock. Draußen glüht der Himmel bereits vor Lichtern. Die tief hängenden Rauchwolken färben sich durch den Widerschein der Funken grün, rot, orange und gelb.
    »Gehen wir?«
    Als wir ankommen, reicht Gigi mir Faith, und ich schlage weit genug von dem Trubel, der lauten Knallerei und dem Rauch entfernt unser Lager auf. Klappstühle, Faiths Kinderwagen, eine Wickeltasche und Babynahrung sowie Snacks für uns alle. Ich setze mich, nehme Faith auf den Schoß, die in ein Tuch gewickelt ist wie ein Falter in seinen Kokon, und ziehe ihr den Hut über die Ohren. Sie blickt zu mir auf und nuckelt eifrig an meinem kleinen Finger. Yok Lan sitzt neben uns, hält eine Thermoskanne mit Tee in der Hand und lächelt. Gigi kichert wie ein Schulmädchen über die große Tasche mit Feuerwerk, die Marjory hinter sich herschleppt. Marjory strahlt übers ganze Gesicht. Sie scheint die großen Rußflecken auf ihrem Arm und ihrem Kinn gar nicht zu bemerken. Vielleicht sind sie ihr auch egal. Rilla eilt zu ihr, um ihr zu helfen, und am Ende sind beide voller Ruß und lachen.
    Die ersten Versuche gehen daneben. Die Raketen geben beim Zünden nur ein klägliches Zischen von sich oder fliegen auf das Wasser hinaus, statt in den Himmel aufzusteigen. Wir alle lachen über das Missgeschick. Gigi klatscht ermutigend in die Hände, als Marjory eine Rakete hochhält und konzentriert die Zungenspitze herausstreckt. Rilla kichert mit der Hand über dem Mund. Die Zündschnur brennt und schlägt Funken.
    »Vorsicht!«, rufe ich nervös und drücke Faith an meine Brust. Sie kuschelt sich an meine Wärme. Alle treten zwei Schritte zurück, die Blicke fest auf die Rakete gerichtet. Die Zündschnur ist abgebrannt; alle halten den Atem an. Ein Pfeifen wie von einem kochenden Teekessel durchschneidet die Luft.
    Wusch!
    Die Rakete jagt durch Rauch und Wolken in den dunklen Himmel. Das Heulen wird schwächer. Ich stehe auf, drückte Faith an mich und lege meine Hand auf ihren kleinen Kopf. Gigi, Marjory und Rilla lehnen sich zurück, die Köpfe gen Himmel gerichtet, die Münder erwartungsvoll zu dunkeln Os geformt. Ein kurzes Schweigen und dann …
    Peng!
    Eine Explosion aus leuchtendem Licht. Ströme von champagnerfarbenen Funken fallen wie ein Goldregen vom Himmel. Rilla springt in die Luft, Marjory klatscht Gigi ab, die laut jauchzt. Lachen steigt aus meiner Kehle auf. Jetzt tanzen sie, ein spontaner, wilder Tanz um die Abschussstelle. Voller Licht und Liebe und Hoffnung. Ruß auf den Schuhen, Rauch im Haar, Liebe im Herzen. Ich kann Mama fast juchzen hören.
    Starke Arme legen sich um meine Taille, unter dem Bündel, das Faith ist. Ich spüre warmen Atem in meinem Nacken, einen zarten Kuss. Ich lehne mich an seine Brust. Hier ist mein Platz. Die Decke rutscht von Faiths Gesicht, und wir sehen auf sie hinunter. Sie blinzelt zurück, ihre Augen sind dunkel und braun und so klar wie die Wahrheit.
    »Ein gutes neues Jahr, Grace«, flüstert Pete.

Epilog
    Ich blicke auf einen verwitterten Hof, der von einem niedrigen Zaun umgeben ist, der dringend neu gestrichen werden müsste. Ein Dreirad lehnt daran. Das Licht hat die Farbe reifer Zitronen, und ein Vogel mit regenbogenfarbenen Federn krächzt laut sein Gutenachtlied. Es riecht sogar australisch – die Gummibäume, die Hitze, der Karamell- und Holzkohlegeruch eines Barbecues in der Ferne. Vor mir steht mein Schreibtisch, bedeckt mit
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