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Im fernen Tal der Hoffnung

Im fernen Tal der Hoffnung

Titel: Im fernen Tal der Hoffnung
Autoren: Nicole Alexander
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Prolog
    Frühling 1987
    Wangallon Station
    Sarah starrte auf die Grabsteine. Das Licht des aufgehenden Mondes fiel auf die alten Monumente. Es war seltsam still auf der Lichtung, und sie fragte sich, ob die Geister von Wangallon ihren Großvater Angus gerade auf einem anderen heiligen Platz auf dem Besitz willkommen hießen. Sie hob den Riegel an dem verwitterten Holzgatter und ging durch das hohe Gras, das im anhaltenden Frühlingsregen stark gewachsen war. Zweige und Blätter knackten unter ihren Füßen, die in der weichen Erde einsanken. Das vertraute Klopfen eines Kängurus hallte über den gewundenen Wangallon, und in einem hohen Eukalyptus krächzte eine Schar Sittiche, die sich dort zur Ruhe begeben hatte.
    Zuerst blieb Sarah am Grab ihres Bruders Cameron stehen. Dann trat sie zu dem frisch aufgeworfenen Erdhügel, der den Sarg ihres geliebten Großvaters bedeckte. Zum ersten Mal spürte sie deutlich, wie schwer der Verlust auf ihren Schultern lastete. Gerade ihn zu verlieren, war alleine schon unfassbar, aber zu ihrer Trauer kam auch noch ein Gefühl der Verantwortung hinzu, die sie beinahe erdrückte. Sie besaß jetzt dreißig Prozent des Familienbesitzes Wangallon. Wie ihr Vater sagte, war sie außer ihm die einzige lebende Gordon; alle anderen lagen auf dem Friedhof des Besitzes, den ihr Urgroßvater Hamish Gordon 1858 gegründet hatte. Sarah blickte auf die uralten Grabsteine: Großmutter, Bruder, Großonkel, Ehefrauen, kleine Kinder und Hamish Gordon. Er hatte eines der größten Privatvermögen im Nordwesten von New South Wales angehäuft.
    Vor Jahren hatte Sarah sich so eine Gelegenheit erträumt, und heute konnte sie zugeben, dass es sie damals gekränkt hatte, übergangen zu werden, weil sie ein Mädchen war. Aber dann war Cameron gestorben, und Anthony– der Knecht, wie ihre Mutter immer zu sagen pflegte– wurde Manager. Jetzt jedoch war alles anders. Sie war die direkte Erbin, und Sarah wusste, dass das Schicksal sie dazu bestimmt hatte, über Wangallon zu wachen. Und doch fühlte sie sich der Zukunft nicht gewachsen. Erschöpfung und Trauer der letzten Woche hatten ihren Tribut gefordert. Bald würden sie die Lämmer markieren müssen, und danach… Sie konnte sich im Moment nicht daran erinnern, was als Nächstes auf dem Terminplan stand. Müde schüttelte sie den Kopf, lehnte sich an den Stamm einer Akazie und drückte die Handflächen gegen die Rinde. Durch das Laubdach schimmerte ein metallisch-graublauer Himmel. Nur wenige Sterne waren zu sehen, dazu war der Mond, der sie in einen silbernen Mantel hüllte, zu hell.
    Â» Sarah?«
    Anthonys Stimme erschreckte sie. Sie hatte den Landcruiser nicht kommen hören. Sie wusste schon gar nicht mehr, wie lange sie hier hockte und im Mondschein weinte. Anthony ergriff ihre Hand und zog sie hoch. Sanft bürstete er den Schmutz von ihren Kleidern.
    Â» Ich wollte dich hier nicht so lange alleine lassen. Ich weiß, dass du dich noch von ihm verabschieden wolltest, ohne die Menschenmassen, die heute hier waren, aber…«
    Sarah küsste ihn auf die Wange. » Ist schon okay. Mir geht es gut.«
    Er blickte auf ihr tränenverschmiertes Gesicht und zog eine Augenbraue hoch. » Du hast in der letzten Woche kaum geschlafen.« Er wusste es, denn er hatte neben ihr gelegen und selbst nicht schlafen können, weil sie sich ruhelos hin und her gewälzt hatte. » Du solltest dir ein wenig Ruhe gönnen.«
    Sarah ließ sich von ihm vom Friedhof herunterführen. Anthony schob den Riegel wieder vor das kleine Tor.
    Beschützend legte er ihr den Arm um die schlanke Taille. Seit dem Tod des alten Angus hatte sein Mädchen abgenommen. Anthony machte sich Sorgen um sie. » Wir müssen uns zusammensetzen und die Pläne für die nächsten zwölf bis achtzehn Monate ausarbeiten. Was meinst du?« Sarah blickte ihn mit leerem Gesichtsausdruck an. » Wir müssen die Lämmer markieren und…« Er merkte, dass sie ihm nicht zuhörte; ihr Blick war auf das dunkle Land gerichtet. » Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich schon um alles, bis du dich wieder dazu in der Lage fühlst.« Er öffnete die Beifahrertür und half Sarah auf den Sitz. » Schau, ich habe dir einen kleinen Freund mitgebracht.«
    Sarah streichelte den knuddeligen Welpen mit seidig schimmerndem Fell, den Anthony ihr auf den Schoß
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