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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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als ich sie herunternehme und mit dem Kopf gegen meine Schulter lege, um sie zu umarmen.
    Draußen ist Geschnatter in einer fremden Sprache zu hören. Auf der anderen Straßenseite drängt eine Gruppe von Japanerinnen mittleren Alters aus einem kleinen, weißen Reisebus. Alle gestikulieren wild und machen Fotos. Eine junge, überkorrekt gekleidete Frau mit einem Klemmbrett steigt ebenfalls aus. Faith kreischt die Gruppe jenseits der Scheibe kurz an, die damit beschäftigt ist, die Schirmmützen auf ihren Köpfen zu richten, nach ihren Geldbörsen zu sehen, den richtigen Knopf auf der Kamera einer Freundin zu drücken. Ein Mann steigt hinten aus dem Bus. Er ist groß, hat silbernes Haar und trägt eine schwarze Lederjacke. Ich kneife die Augen zusammen, um ihn besser erkennen zu können.
    Gigi kommt mit einem Geschirrtuch in der Hand aus der Küche. »Ist das nicht dieser französische Koch?«
    Ich nicke. »Léon.«
    Ich beobachte, wie er die Frauen zusammenscheucht. Sie sehen ihn mit weit aufgerissenen Augen und einem breiten Lächeln an. Die junge Frau im Kostüm übersetzt, doch niemand beachtet sie; alle sind von Léon fasziniert, der mit offenen Armen gestikuliert und dann seine Finger küsst. Sie folgen seinen Händen, seinen schlanken Fingern und seinen blauen Augen. Ich stelle mir vor, wie ihre Ohren nichts als den französischen Akzent hören, ihre Herzen für einige Schläge aussetzen. Ich kann die Geschichten förmlich hören, die sie zu Hause ihren Freundinnen erzählen werden.
    »Was macht er da?« Gigi späht aus dem Fenster, das Geschirrtuch über die Schulter geworfen.
    »Keine Ahnung.« Während ich Léon beobachte, wird mein Atem nicht hektischer, mein Herz schlägt nicht schneller, und meine Wangen färben sich nicht rot. Es passiert rein gar nichts. Ich stelle mir Mama vor, die auf mich hinuntersieht, kichert und den Kopf schüttelt. »Mein liebes Mädchen, was hast du denn gedacht?« Ich lächle, während ich zur Decke aufsehe, als würde sie mich tatsächlich beobachten. Dann beuge ich mich vor und küsse Faiths Hals. Sie schnüffelt an mir.
    Jetzt nimmt Léon Kurs auf das Lillian’s. Gigi tritt vom Fenster zurück.
    » Bonjour! « , sagt er, als er das Café betritt.
    »Hallo, Léon«, antworte ich lächelnd.
    »Ich mache eine Rundfahrt mit einer Gruppe Japanerinnen.« Er deutet auf die Straße.
    »Ja, das sehe ich.«
    »Es ist eine Gourmet-Reise durch Macao. Eine neue Geschäftsidee von mir.« Er strahlt und senkt die Stimme. »Hier kümmert sich ja niemand um die reichen Unternehmersgattinnen. Das ist eine riesige Marktlücke.«
    »Das glaube ich gern.«
    Gigi verschränkt die Arme und blickt ihn finster an.
    »Also, wir gehen zum Mittagessen und auf ein Pastel de Nata in das portugiesische Restaurant die Straße runter. Danach kommen wir wieder, wegen der Macarons. Sie müssen natürlich das Lil’s kennenlernen, es ist richtig berühmt. Macarons sind in Japan sehr beliebt. Wir sehen uns gleich?«
    »Kein Problem«, sage ich und danke ihm für die Vorwarnung.
    Als er mit wehenden Hemdschößen und weit ausholenden, entschlossenen Schritten davongeht, frage ich mich, wie oft ich ihn noch sehen werde, bevor ich Macao verlasse, frage mich, ob das das letzte Mal ist. Die Frauen hinter ihm beeilen sich, um mit ihm Schritt zu halten, sie lächeln. Ob es mir gefällt oder nicht, er hat eine Rolle in meinem Abenteuer gespielt, in diesem wunderbar-furchtbaren, furchtbar-wunderbaren Jahr. Der Kreis schließt sich. Der Besuch im Aurora an jenem Abend, wie er mir gezeigt hat, wie man Macarons macht, meine verrückte, romantische Schwärmerei und die letztendliche Erkenntnis, dass ich meinen Mann liebe. Und jetzt bringt Léon Gäste in das Café. Mein Lillian’s. Meine berühmten Macarons. Ich grinse vor mich hin.
    »Irgendwie mag ich diesen Typen nicht«, sagt Gigi finster, und beobachtet mein Lächeln mit gerunzelter Stirn.
    »Ich weiß, Gi. Ich weiß.« Ich lache. Du musst dir um mich keine Sorgen machen, hätte ich fast hinzugefügt. Wenn sie nur auch so ein gutes Gespür für die Männer in ihrem Leben hätte, denke ich ironisch.
    Als die Gruppe außerhalb unserer Sichtweite ist und ich die schläfrige Faith zurück in den Kinderwagen gelegt habe, geht Gigi in die Küche und kommt mit einem Teller mit vier Macarons zurück. Sie sind von einem hellen Orangebraun, wie Herbstlaub, und mit Goldpulver bestäubt. Fast die Farbe meiner Haare, denke ich flüchtig. Sie küsst Faith auf die Wange und setzt
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