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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)
Autoren: Bastian Sick
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nicht – der Nominativ des unbestimmten Substantivs »Verwandte« lautet »Verwandte«. Da in der Anrede stets der Nominativ gebraucht wird, heißt es folglich »Liebe Verwandte«.
    Der Nominativ des bestimmten Substantivs lautet hingegen »die Verwandten«, man grüßt oder begrüßt daher »die lieben Verwandten«. Mit den Verwandten verhält es sich genau wie mit den Deutschen, auch sie sind aus einem Adjektiv hervorgegangen und haben daher zwei unterschiedliche Formen. Es kommt eben darauf an, ob ihnen ein bestimmter Artikel (»die«) vorausgeht oder nicht.

Fress oder sterbe!
    Befehl ist Befehl, das hat jeder irgendwann schon mal gehört. Doch längst nicht jeder Befehl ist richtig formuliert. Einige provozieren mit unsachgemäßer Grammatik Gehorsamsverweigerung. Ein Kapitel über den viel geschundenen Imperativ.
    Nach dem Tod der alten Frau Schlötzer kam ihr Hündchen »Tuffy« zu Werner und Annegret. Werner wollte ja schon immer einen Hund haben, allerdings keinen »Tuffy«, sondern eher einen »Hasso« oder einen »Rocko«, aber man kann es sich im Leben eben nicht immer aussuchen. Nun steht Werner in der Küche und macht zwei Dosen auf, zunächst eine mit Hundefutter für Tuffy, dann eine mit Stärkungsbier für sich selbst, denn Dosenöffnen macht durstig. Er stellt Tuffy den Napf vor die Nase und sagt: »Da, dat is’ für dich! Nu fress mal schön!« Tuffy blickt sein neues Herrchen neugierig an, macht aber nicht die geringsten Anstalten, der Aufforderung Folge zu leisten. »Wat is’ denn?«, knurrt Werner. »Haste keinen Appetit? Los, fress!« Tuffy wedelt mit dem Schwanz, doch er rührt den Napf nicht an. »Anne, der Hund will nich’ fressen!«, ruft Werner. »Vielleicht isser krank?« Die Gerufene kommt herbeigeeilt, kniet sich zu Tuffy hinab, streichelt ihn und sagt: »Komm, Tuffy, friss!« Und sofort steckt der Hund seine Schnauze in den Napf und beginnt mit großem Appetit zu fressen. »Komisch«, wundert sich Werner, »bei mir hat er sich nich’ gerührt. Vielleicht hört er nur auf Frauen?«
    Was Werner nicht weiß: Die alte Frau Schlötzer hat ihrem Tuffy nicht nur feine Hundemanieren beigebracht, sondern ihn auch in tadellosem Deutsch erzogen. Daher reagiert Tuffy nur auf den Befehl »Friss!« und nicht auf die umgangssprachliche Form »Fress!«.
    So wie Tuffy geht es auch vielen Menschen. Besonders empfindsame Schüler stellen sich im Sportunterricht gerne mal taub, wenn ihnen beim Ballspiel von einem frei stehenden Mitschüler zugerufen wird: »He, werf zu mir!« Das Ignorieren der Aufforderung mag zwar unsportlich sein, aber nicht unverständlich.
    Wer sich anmaßt, Befehle zu erteilen, sollte zunächst einmal die richtige Befehlsform beherrschen. Imperativ kommt von Imperium, nicht von Imperitia. Anmerkung Und mit dem Wort »befehlen« geht es selbst schon los: » Befehle nie, was du nicht selbst befolgen würdest« – über den Sinn dieses Mottos kann man streiten, nicht aber über seine Grammatik; denn »Befiehl!« muss es heißen.
    Und wer nun fragt, »Inwiefern betrifft mich das? Ich habe keinen Hund, der schlauer ist als ich, und zur Schule und zum Bund gehe ich schon lange nicht mehr«, der sei nur auf das Internet verwiesen und auf die vielen Gebrauchsanleitungen, die man im Laufe eines Lebens so studiert. Darin findet man nämlich immer wieder Sätze wie diesen: »Bitte lese diese Anleitung genau durch, bevor du die Software installierst.«
    Oder wie diesen: » Nehme zunächst das Hinterrad aus dem Rahmen und löse den Schnellspanner.« Der Urheber hat vermutlich zu viele Kochrezepte gelesen, die traditionell mit »Man nehme …« beginnen. Ganz zu schweigen davon, dass man für gewöhnlich erst den Schnellspanner lösen muss, bevor man das Hinterrad herausnehmen kann. Der Imperativ der zweiten Person Singular von »nehmen« lautet indes »Nimm«, das weiß jeder, der sich schon mal von der Werbung aufgefordert sah, gleich zwei Bonbons auf einmal zu nehmen. Wie man sich »erfolgreich, richtig bewerben«
    kann, das weiß angeblich eine Homepage mit dem Titel www.bewerbe-dich.de. Die Internetadresse www.bewirb-dich.de ist wundersamerweise noch zu haben.
    Zwar ist es richtig, dass der Imperativ der zweiten Person Singular meistens regelmäßig gebildet wird, nämlich genauso wie der Indikativ der ersten Person Singular im Präsens, aber eben nicht immer. Es gibt eine Reihe von Ausnahmen, eine Hand voll unregelmäßiger Verben, bei denen die Befehlsform ihren Stammlaut verändert:
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