Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)
Autoren: Bastian Sick
Vom Netzwerk:
Da wird das »e« zum »i«, und an den Wortstamm kann dann auch kein -e mehr angehängt werden. Bruce-Willis-Fans wissen, dass es »Stirb langsam« heißt, und nicht etwa »Sterbe langsam«.
    Wenn der Spielleiter der Comedy-Improvisationssendung »Schillerstraße« einer Akteurin die Anweisung gibt: »Sprech Schwäbisch!«, möchte man ihm selbst einflüstern: »Sprich Hochdeutsch!« Und wer bei einem Besuch im nachbarlichen Kleingarten auf des stolzen Besitzers Ausruf »Seh mal hier!« anfängt, Petersilie oder Rasen auszusäen, der hat zumindest akustisch die richtige Konsequenz aus der grammatisch insuffizienten Sentenz gezogen.
    »Reg dich nicht auf, ess erst mal was«, mag ein gut gemeinter Rat sein, grammatisch aber unausgereift. Richtig ist selbstverständlich »iss erst mal was«. Doch offenbar haben viel zu viele Mütter viel zu vielen Kindern viel zu oft den Befehl »Halt den Mund und ess jetzt!« erteilt, denn die ess/iss-Verwirrung im deutschen Sprachraum ist beklemmend.
    Im Internet ist sie sogar messbar, wenn man nämlich die Worte »mess mal« in eine Suchmaschine eingibt. Dort stößt man auf unzählige Foren, in denen Tausende von Internetnutzern sich gegenseitig mit Rat und nützlichen Tipps für Probleme aller Art versorgen: Wie oft muss man ein Aquarium reinigen? Wie schließt man Zusatzgeräte an seinen Computer an? »Lass das Aqua mal in Ruhe einlaufen und mess mal die Entwicklung der Wasserwerte in den ersten sechs Wochen«, schreibt ein freundlicher Ratgeber. Ein anderer in einem anderen Forum empfiehlt: »Wenn sich nichts tut, mess mal mit einem Multimeter nach, ob die Kontakte in Ordnung sind.«
    » Helf gefälligst der Mutti beim Kistenschleppen!«, ruft der Papa vom Fernsehsessel aus, unfähig, sich selbst zu erheben, und leider auch unfähig, die korrekte Imperativform zu bilden. » Helf dir selbst, dann hilft dir Gott«, lautet ein oft gesagter Rat; » nehm nicht immer nur, sondern geb auch mal was!«, hat schon so mancher einem Mitmenschen ans Herz gelegt. Da denkt man im Stillen: Gib auf deinen Ausdruck Acht und hilf deiner Grammatik auf die Sprünge!
    Wer sich mit Imperativen wie »Dresche!«, »Trete!« »Schmelze!« und »Treffe!« zufrieden gibt, wird es im Leben nicht weit bringen. Anders derjenige, der sich an die weisen Worte hält: »Drisch das Korn! Tritt den Balg! Schmilz das Erz! Triff keine übereilten Entscheidungen!« Denn seine Stadt wird im Wirtschaftssimulationsspiel zu Wohlstand und Blüte gelangen.
    Für alle Freunde von tabellarischen Übersichten sind nachstehend noch einmal (fast) alle unregelmäßigen Imperativformen in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet. Wem Tabellen eher Angst einflößen, dem sei zur Beruhigung gesagt: Erschrecke nicht! Sondern erschrick!

Unregelmäßige Befehlsformen
Infinitiv
Imperativ Singular
befehlen
befiehl!
bergen
birg!
brechen
brich!
dreschen
drisch!
empfehlen
empfiehl!
erschrecken
erschrick!
essen
iss!
fressen
friss!
geben
gib!
helfen
hilf!
lesen
lies!
messen
miss!
nehmen
nimm!
quellen
quill!
schelten
schilt!
schmelzen
schmilz!
sehen
sieh!
sprechen
sprich!
stechen
stich!
stehlen
stiehl!
sterben
stirb!
treffen
triff!
treten
tritt!
vergessen
vergiss!
werben
wirb!
werfen
wirf!

Nun fei(e)r(e) mal schön!
    Frage eines Lesers: Ich streite derzeit mit einem Bekannten über die Frage, was nun richtig ist: »Feiere deinen Geburtstag« oder »Feier deinen Geburtstag« oder »Feier’ deinen Geburtstag«? Können Sie’s mir sagen?
    Antwort des Zwiebelfischs: »Feiere« ist zweifellos der korrekte Imperativ. Bei Verben auf -eln und -ern wird der Imperativ Singular mit -e gebildet. Allerdings kann dabei das unbetonte »e« in der Wortmitte wegfallen: »Sammle die Hefte ein!« statt »Sammele die Hefte ein«, »Schmettre den Ball in die linke Ecke!« statt »Schmettere den Ball in die linke Ecke!«. – Daher erlaubt die Hochsprache neben »Feiere deinen Geburtstag« auch »Feire deinen Geburtstag«.
    In der Umgangssprache fällt heute zumeist das »e« am Wortende weg: Aus »feiere« wird »feier«, aus »sammele« wird »sammel«, aus »wickele« wird »wickel«. Mein Grammatikbuch aus dem Jahre 1995 sieht diese Formen gar nicht vor, daher galten sie wohl – zumindest vor zehn Jahren – noch nicht als salonfähig.
    Das könnte sich inzwischen geändert haben. Zumindest im norddeutschen Raum wird niemand daran Anstoß nehmen, wenn Sie ihn auffordern: »Nun feier mal schön deinen Geburtstag!« Auf einer teuren Glückwunschkarte ist aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher