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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 2: Folge 2 (German Edition)
Autoren: Bastian Sick
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Grundsätzlich aber erfüllt das Komma keine musikalische Funktion, sondern eine syntaktische.
    »Im Unterschied zu seinem Freund Konrad hat Paul keinen Klavierunterricht genossen.« Manchem Leser mag es bei diesem Satz in den Fingern jucken, den einen oder anderen wird das spontane Bedürfnis überwältigen, zwischen »Konrad« und »hat Paul« ein Komma zu setzen. Doch das Kribbeln und die Überwältigung beruhen auf einer Täuschung. Denn auch hier handelt es sich um nichts weiter als um eine adverbiale Bestimmung.
    Was eine solche von einem Nebensatz unterscheidet, ist das sogenannte »Prädikat«, der grammatische Kern, das gebeugte Verb. Im Unterschied zur adverbialen Bestimmung zeichnet sich ein Nebensatz immer durch das »Prädikat: verbvoll« aus:
    »Nach Verlassen des Klassenzimmers …« Kam bislang ein Prädikat? Nein! Und deshalb kommt hier auch kein Komma! »… brachen die Schüler in Gelächter aus.«
    »Nachdem sie das Klassenzimmer verlassen hatten …« Da! Das war ein Prädikat! Jetzt muss ein Komma her! »… , brachen die Schüler in Gelächter aus.«
    Und gleich noch mal:
    »Vor Anbruch des nächsten Tages [ …?… ] wollten sie Kapstadt erreicht haben.«
    »Bevor der nächste Tag anbrach, wollten sie Kapstadt erreicht haben.«
    Einige meinen darin einen weiteren lästigen Anglizismus zu erkennen. Denn im Englischen wird die adverbiale Ergänzung gelegentlich durch ein Komma abgetrennt: »After the rain, the sun shines again.« Das mag zwar richtig sein, doch inwieweit dieser englische Brauch Einfluss auf die deutsche Zeichensetzung hat, ist schwer zu beweisen. Sollte im Fall der gefühlten Kommas die englische Sprache als irreführendes Vorbild dienen, so hieße das ja, dass all diejenigen, die Probleme mit den deutschen Interpunktionsregeln haben, sich dafür umso besser mit den englischen auskennen. Demzufolge könnten ungefähr 95 Prozent der Deutschen besser Englisch als Deutsch.
    Im Englischen gibt es andere Regeln, aber anscheinend ähnliche Probleme. Auch dort werden Kommas oft nach Gefühl gesetzt – mit zum Teil viel gravierenderen Auswirkungen als im Deutschen, denn der Beistrich hat im Englischen eine noch größere Bedeutung als bei uns. Die britische Autorin Lynne Truss veranschaulicht dies auf äußerst unterhaltsame Weise in ihrem Buch »Eats, Shoots & Leaves«, einer »kompromisslosen Einführung in die Interpunktion«. Der Titel spielt auf einen Witz an: Da kommt ein Panda in ein Café, bestellt ein Sandwich, frisst es auf, schießt zweimal in die Luft und geht. Der verwirrte Kellner erfährt beim Nachschlagen in einem (grammatisch fehlerhaften) Tierlexikon unter dem Stichwort Panda : »Eats, shoots and leaves.« Gemeint war: »Frisst Schößlinge und Blätter.« Doch das falsche, sinnentstellende Komma hinter »eats« führt dazu, dass sich die Aussage wie eine Aufzählung von Verben liest: »Frisst, schießt und geht.«
    Für regelmäßige Verwirrung der Gefühle sorgen auch die Vergleichswörter »als« und »wie«. Dabei gilt auch hier: Es geht nur dann ein Komma voraus, wenn ein Prädikat folgt. Es folgen zunächst vier nebensatzlose Beispiele mit Kommaverbot und anschließend vier beispielhafte Nebensätze mit Kommagebot:

Mir geht’s so gut wie seit Jahren nicht mehr.
Der Schaden war größer als zunächst angenommen.
Er liebte sie mehr als je einen Menschen zuvor.
In diesem Sommer hat es bei uns so viel geregnet wie sonst nirgends.

Mir geht’s so gut, wie es mir seit Jahren nicht mehr ging.
Der Schaden war größer, als zunächst angenommen worden war.
Er liebte sie mehr, als er je zuvor einen Menschen geliebt hatte.
In diesem Sommer hat es bei uns so viel geregnet, wie es sonst nirgends geregnet hat.
    Wenn man dies einmal begriffen hat, braucht man sich bei der Interpunktion nicht mehr auf seine trügerischen Gefühle zu verlassen. Man kann eiskalt und berechnend seine Kommas setzen, wo sie erforderlich sind, und mit wissendem Lächeln auf sie verzichten, wo sie fehl am Platze sind. Und das gesparte Gefühl könnte man stattdessen in den Stil investieren. Der hat es oft nötiger als die Interpunktion.

Woher stammt das Wort »Puff«?
    Frage eines Lesers: Am Silvesterabend fuhr ich mit meiner Frau auf der großen Straße von Süden nach Norden durch Frankfurt. Nach der Brücke über den Main liegt rechter Hand Frankfurts bekanntestes Bordell. Beim Passieren sagte meine Frau: »Schau mal, beim Puff haben sie die Weihnachtsbeleuchtung schon abgeschaltet!«, und ich
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