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0423 - Eine Braut für zwei Millionen

0423 - Eine Braut für zwei Millionen

Titel: 0423 - Eine Braut für zwei Millionen
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Die Wohnungstür war nur angelehnt. Ich widerstand der Versuchung, einzutreten und klingelte. Niemand meldete sich. Aus dem Inneren des Apartments ertönte das Gedudel eines Radios. Ich klingelte abermals. Ohne Erfolg. Mit der Fußspitze schob ich die Tür auf und betrat die Diele.
    »Hallo?«, rief ich. Keine Antwort. Ich ging ins Wohnzimmer und prallte zurück.
    Es war Ray Gibbons, kein Zweifel. Er hing an einem rosafarbenen Strick von der Decke. Ich ging langsam um ihn herum. Unter dem Toten lag der umgestoßene Stuhl, nichts deutete auf ein Gewaltverbrechen hin. Im Zimmer herrschte Ordnung. Nur auf dem Tisch standen eine Whiskyflasche, eine Eisschale und zwei leere Gläser. Ich schnupperte an den Gläsern, ohne sie zu berühren. Purer Whisky, sonst nichts. An einem Glas entdeckte ich Spuren von Lippenstift.
    Der Ascher war randvoll. An den meisten Kippen klebte das gleiche blasse Rot. Ich trat an das pastellfarbene Radio und stellte es ab. Der Gesang von Petula Clark wollte nicht so recht zu der Situation passen.
    Ich ging zum Telefon und umfasste den Hörer vorsichtig mit dem Taschentuch. Dann wählte ich die Nummer des Morddezernates. Ich sprach mit Lieutenant Humber. »Arbeit für Sie, Dick«, sagte ich. »Es handelt sich um Ray Gibbons.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Im Jenseits«, erwiderte ich.
    »Quatsch«, grunzte der Lieutenant »Ich möchte wissen, wo der Kerl liegt.«
    »Er hängt«, stellte ich richtig.
    »Wer hat die Schlaufe um seinen Hals gelegt?«
    »Vielleicht hat er’s selber getan.«
    »Gibbons? Das glaube ich nicht!«, meinte Humber. »Eher würde man den Mond zum Wintersportgebiet erklären! Sind Sie in Gibbons Wohnung?«
    »Ja, Fulton Street 116.«
    »Bleiben Sie dort, Jerry. In spätestens zwanzig Minuten sind wir da.«
    Ich legte auf und ging bis zur Mitte des Zimmers. Der Tote trug ausgezeichnete Kleidung. Kein Wunder - Gibbons hatte immer Geld gehabt, viel Geld sogar. Innerhalb des Louis-Cornelli-Mobs hatte er als Killer gearbeitet. Das hatte ihm ein Top-Einkommen gesichert.
    Er war ein viel beschäftigter Mann gewesen. Allein in New York lasteten ihm die Behörden sieben Morde an. Gefälschte Alibis und gekaufte Zeugen hatten Gibbons stets über die Hürden der Mordanklagen hinweggeholfen. Er war dem Henker, aber nicht dem Tod entwischt.
    Louis Cornelli, Gibbons Boss, galt als einer der drei Großen der New Yorker Unterwelt. Ich fragte mich, ob er das Ableben seines brutalen Vollstreckers schon zur Kenntnis genommen hatte.
    Es war nicht die einzige Frage, die sich mir aufdrängte. Ich fand zunächst keine Möglichkeit, den Komplex weiter zu behandeln, denn in diesem Moment hörte ich das Stöhnen.
    ***
    Ich starrte Gibbons an. Nein, Tote stöhnen nicht.
    Jetzt war alles still. Nur das monotone Ticken der Kaminuhr war zu vernehmen. Es war eine alte Fayence-Uhr, ein kostbares Stück, das im Salon des Killers wie ein Anachronismus wirkte.
    Die Wohnzimmertür stand offen. Ich betrat die Diele und blieb stehen.
    »Hallo?«, rief ich. Woher war das Stöhnen gekommen?
    Ich öffnete die nächste Tür und erlebte meine zweite Überraschung.
    Ich war in ein Schlafzimmer geraten, und auf dem französischen Bett lag eine Blondine, eingehüllt in ein schulterfreies Cocktailkleid aus Goldlame.
    Den linken Arm hatte das Girl ausgestreckt, die rechte Hand lag, Innenfläche nach oben, auf dem Kinn. Ich konnte gerade noch den Mund sehen. Er zeigte die Reste jenes Lippenstift-Rots, das ich im Wohnzimmer auf dem Glas und an den Kippen bemerkt hatte.
    Das Mädchen atmete laut genug, um jede Sorge, die mich bei ihrem Anblick beschlichen hatte, sofort zu bannen. Die Schuhe hatte sie abgestreift. Sie lagen vor dem Bett.
    Das Girl war nicht viel älter als zwanzig Jahre. Es gehörte kein allzu scharfer Blick dazu, um zu erkennen, dass sie wahrscheinlich mehr getrunken hatte, als ihr zuträglich gewesen war.
    Ich rüttelte sie sanft an der Schulter.
    Flatternd hoben sich die Lider mit den langen, sorgsam gelackten Wimpern. Sie starrte mich an. »Hallo«, sagte ich.
    Das Mädchen hatte schöne Augen, allerdings war das Grün in ihnen zurzeit reichlich verschwommen. Sie schien erst noch mit der Überraschung fertig werden zu müssen, die mein Anblick für sie war.
    Das Mädchen richtete den Oberkörper auf. Sie schloss dabei die Augen und verzog schmerzhaft das Gesicht. Sie stöhnte unterdrückt.
    Langsam schwang sie die Füße auf den Boden. Sie schaute sich um. Dann blickte sie mich an. Das kalkige Weiß ihres
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