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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch
Autoren: John Burdett
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Stunde meditieren, nach einem Jahr einen ganzen Tag und eine ganze Nacht. Zum ersten Mal in meinem vierundzwanzigjährigen Leben lernte ich Freiheit und Glück kennen.«
    »Während sie sich in den Staaten aufhielt.«
    »Ja.«
    »Sie redeten sich ein, dass der Buddha Sie von allem Karma befreit hatte, auch vom gatdanyu. «
    »Ja, genau.«
    »Aber was war, als sie zurückkam?«
    Er wendet sich wieder dem Fenster zu. »Man hatte sie und ihren amerikanischen Ehemann wegen Prostitution und Leitung eines Bordells in Fort Lauderdale festgenommen. Das scherte sie nicht, aber auf die amerikanischen Männer, ihrer Aussage nach entweder pubertierende Jungen in Erwachsenenkörpern oder Tiere, war sie wütend. Und ihren Ehemann verachtete sie. Zwei Jahre ohne irgendwelche Gefühle sind für eine junge Frau, auch für eine wie sie, schwer zu ertragen. Sie hatte die letzten zwölf Monate damit verbracht, sich nach mir zu sehnen.«
    »Sie schrieb Ihnen?«
    »E-Mails. In Kambodscha werden die Regeln für Mönche sehr locker gehandhabt. Das Surfen im Internet gilt nicht als verwerflich.«
    Mein tiefer Atemzug klingt in der stickigen kleinen Hütte wie ein Zischen. »Das heißt, Sie führten zwei Leben.«
    Er nickt. »Per E-Mail konnte ich ihr nicht sagen, dass ich ein richtiger Mönch geworden war. Dazu besaß ich nicht den Mut.«
    »Und dann kehrte sie aus den Staaten zurück?«
    »Ja«, bestätigt er mit einem leicht amüsierten Brummen. »Und sie war fuchsteufelswild, dass ich nicht sofort zur Verfügung stand.« Er hüstelt. »Sie wissen ja, wie Kambodscha ist: Sie bestach ein paar Mönche, rasierte sich den Schädel, legte weiße Gewänder an wie ein looksit und schlich sich ins Kloster.« Er grinst spöttisch. »Können Sie sich das vorstellen? Ich hatte seit zwei Jahren mit niemandem mehr geschlafen. Wie erotisch ihr Körper mit dem kahlen Kopf wirkte. Wir trieben es ganz still und heimlich bei Kerzenlicht. Es war verrückt.« Eine kurze Pause. »Nach dieser Nacht war ich natürlich verloren. Wie viele Regeln ich gebrochen hatte: Sex, Unterbringung einer Frau unter demselben Dach, Hintergehen des Abts, und das alles wiederholt. Zwei Wochen lang kam sie jede Nacht zu mir, bis zu ihrer nächsten Tour.«
    »Es kristallisierte sich also ein Muster heraus?«
    »Ja.«
    »Weil Sie sich nicht daran gewöhnen konnten – das wäre unmöglich gewesen –, blieb Ihnen keine andere Wahl, als sich in zwei Hälften aufzuspalten.«
    »Wenn sie zur Prostitution zurückkehrte, meditierte ich jeden dritten Tag vierundzwanzig Stunden lang, bis meine Gedanken sich von ihr lösten. Vipassana funktioniert immer, egal, wofür man es einsetzt.« Ein finsterer Blick. »Aber einen schwachen Mönch verfolgen sogar noch seine Erfolge. Inmitten der Gelassenheit suchten mich Dämonen heim.«
    Ich trete zu ihm an das kleine Fenster und blicke über seine Schulter. Die drei Elefanten schnüffeln, dicht beieinander stehend, auf dem Boden herum, wo sich noch Spuren von Bakers Blut befinden. Offenbar läuft hier eine Art Kommunikation ab. Ich habe Ehrfurcht vor diesen riesigen klugen Dickhäutern, die alles zu verstehen scheinen.
    »Aber die tiefste Wunde schlug wohl das Elefantenspiel, als die Polizisten Ihren Vater umbrachten.«
    Er zuckt mit den Achseln. »Keine Wunde, das wirkte eher wie eine Initiation. Ich war damals ein bisschen über zehn. Bis dahin hatten die Erwachsenen sowie meine Schwester dem Reich der Götter angehört. Als sie die Bambuskugel hinausrollten, dachte ich noch, es sei ein Spiel. In den fünfzehn Minuten, die dann folgten, wurde ich erwachsen. Die eigentliche Offenbarung war ihre Freude, ihr unglaublicher Enthusiasmus mit der Kamera – sie hatte sich eigens eine teure Minolta mit großem, schwarzem Zoom zugelegt. Im Anfangsstadium meiner Meditationen war das das erste hartnäckige Bild, mit dem ich mich auseinandersetzen musste, nicht sein Tod, sondern sie hinter der Kamera, wie sie sein Sterben fotografierte. Ihre Schadenfreude, ihre Triumphschreie. Sie hatte mich nachhaltig in ihre Welt eingeführt, die ich für die Realität hielt.«
    Ein Hüsteln. »Allerdings veränderte sie das auch.« Er sieht mich herausfordernd an. Ich nicke: Erzählen Sie weiter. »Es war ein großer Erfolg, ihr erster. Ihr wurde klar, wie viel Macht sie haben konnte. Mit einem Schlag vernichtete sie diesen Albtraum unserer Nächte. Plötzlich war sie kein hilfloses Opfer mehr.« Er beginnt zu zittern. »Sie bestand darauf, dass ich zusah, überredete die
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