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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch
Autoren: John Burdett
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bewegt. Endlich öffnet die Tür sich, aber es dauert immer noch volle fünf Minuten, bis er heraustritt.
    Ich schnappe verblüfft nach Luft, als die Gestalt mit schwarzem Ballkleid und langer schwarzer Perücke majestätisch die Stufen herunterschreitet. Ein Westler würde dieses Wesen wahrscheinlich für einen begnadeten Transvestiten halten. Hier allerdings glaubt das keiner außer vielleicht der englische Anwalt Smith. Wir sehen Damrong vor uns, ihre Bewegungen, Gesten, noch die letzte Nuance. Ich bekomme eine Gänsehaut, und die Nackenhaare stellen sich mir auf. Fasziniert und angewidert zugleich warte ich auf die ersten Worte, die zwischen diesen rot geschminkten Lippen hervordringen werden.
    Sie überquert den Hof in kerzengerader Haltung und mit lasziv schwingenden Hüften. »Es ist soweit«, ruft sie mit eindringlicher Stimme. Erstaunt und zutiefst beeindruckt erheben sich die Khmer und rollen die riesigen Bambuskugeln heran. »Bringt die Gefangenen«, befiehlt Damrong; es ist tatsächlich ihre Stimme.
    »Nein!«, kreische ich und springe auf.
    Sie wendet sich mir mit neugierigem Blick zu, den ich nicht erwidern kann. »Hallo, Sonchai«, begrüßt sie mich in spöttisch-verführerischem Ton. »Hast du schon was gegessen?« Verblüfft schüttle ich den Kopf. »Schau mir in die Augen, Lover.« Wieder schüttle ich dümmlich den Kopf. »Freust du dich denn nicht, mich zu sehen, Schatz?«
    »Was hast du mit Gamon angestellt?«, frage ich.
    Sie lächelt. »Typisch, dass du die schwierigste Frage zuerst stellst. Liebst du ihn mehr als mich? Ich glaube schon. Nun, Sonchai, er meditiert in der Hütte. Warum gehst du nicht hin und sagst Hallo?«
    Meine Furcht steigert sich ins Unermessliche. »Geh hinüber zu seiner Hütte, Sonchai«, befiehlt sie, »oder sieh mir in die Augen.« Sie tritt einen Schritt auf mich zu, als könnte sie mich so zwingen, ihren Blick zu erwidern. Ich wende mich ab und bewege mich in Richtung Hütte.
    Zögernd steige ich die wackeligen Stufen hinauf; ich ahne, was mich erwartet. Und meine Vermutung bestätigt sich: Als ich eintrete, sehe ich ihn, bekleidet mit seiner safranfarbenen Robe, im halben Lotussitz. Natürlich ist das in Wahrheit Damrongs Leiche, die allmählich zu verwesen beginnt und die Hütte mit dem Gestank von Formaldehyd erfüllt. Plötzlich fügen sich die Teile des Puzzles zusammen. Die Logik der Magie wird mir klar, aber ist es ihr wirklich gelungen, den Geist ihres Bruders in ihrer Leiche einzuschließen? Das wäre sogar für sie eine beachtliche Leistung. Immerhin bewegt sich der Kadaver nicht. Ich ergreife die Gelegenheit und suche nach meinem Handy, das die Khmer mir abgenommen haben. Sobald ich es finde, wähle ich Kimberleys Nummer.
    »Wo steckst du?«
    »Keine Ahnung.«
    »Action?«
    »Mehr als genug.«
    »Bleib dran, solang es geht. Ich versuch, die Jungs in Virginia auf dich anzusetzen.«
    Ich lege das Handy auf den Hüttenboden, hoffend, dass die Batterie Ausdauer beweist.
    Jetzt höre ich von draußen das Geräusch sich öffnender Stahltüren. Als ich auf den Balkon hinaustrete, sehe ich, dass die Khmer Smith und Tanakan mit hinter dem Rücken gefesselten Händen hinausführen. Smith mit seiner farang- Logikgelingt es, trotz seiner Angst die Selbstbeherrschung zu behalten, während Tanakan, der offenbar in seinen Sarong gepinkelt hat, zittert wie ein Kind.
    »Hallo, Lovers«, begrüßt Damrong sie. »Seid ihr überrascht, mich zu sehen?« Sie tritt mit eleganten Schritten an sie heran und liebkost Smiths Gesicht mit einer Hand.
    »Perverse Sau«, sagt Smith.
    Damrong antwortet mit jenem zynisch-fröhlichen Lachen, das ich nur zu gut kenne. »Tom, Tom, du hast nie was kapiert, deswegen steckst du jetzt auch in dieser Scheiße. Als Asiat hättest du alles viel besser verstanden.« Smith wendet den Kopf ab und spuckt aus. Ich muss seinen Mut bewundern. Aber der wird ihm vermutlich nicht lange bleiben. »Warum siehst du mir nicht in die Augen, Tom, wenn du dir so sicher bist, dass ich nur ein Transvestit bin? Bitte, tu mir den Gefallen.«
    Er schafft es, ähnlich einem Tier, das auch nicht freiwillig in Richtung Feuer läuft, nicht, ihren Blick zu erwidern. Sie streckt die Hand aus, um sein Kinn zu umfassen. »Nenn mich noch einmal eine perverse Sau, Tom, bitte.«
    Er würde gern echten britischen Mumm beweisen, aber das geht nicht. Sie ist dabei, seine Mitte zu zerstören, jene komplexe, widersprüchliche, illusionäre, aber letztlich lebenswichtige Vorstellung vom
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