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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch
Autoren: John Burdett
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spiele mit dem Gedanken, ihn zu rütteln, doch der Buddha will es anders: Ich liebkose sein schönes Gesicht und küsse ihn sanft auf die Stirn. »Phra Titanaka, mein Bruder«, flüstere ich.
    Er schlägt die Augen auf, lächelt mit der Großzügigkeit dessen, der sein Ego abgestreift hat, und saugt begierig die Liebe in meinem Blick auf; dann meldet sich die Erinnerung, und er wird von Schmerz übermannt.
    »Gamon«, sage ich, »wir müssen sie ziehen lassen. Baker ist unseretwegen gestorben, auch wenn es nicht wirklich unsere Schuld war. Sein Tod bringt uns nicht viel schlechtes Karma, aber was wird aus uns, wenn wir Damrongs Plan bis zum Ende durchführen? Dann verbringen wir die nächste Million Jahre eingeschlossen in einen Granitblock.«
    Mit entsetztem Blick fragt er: »Und wenn ich ihr nicht gehorche? Kennen Sie ihre Macht denn nicht? Sie sucht mich jede Nacht heim. Ich habe immer noch Sex mit ihr. «
    »Weil Sie es zulassen. Sie sind buddhistischer Mönch – wie können Sie es ihr gestatten, Sie zum Sklaven zu machen?«
    Meine Worte verblüffen ihn. Er blinzelt und starrt dann seine Robe an. »Ich bin so sehr an diese Kleidung gewöhnt – da vergesse ich manchmal, dass ich kein Recht mehr darauf habe.«
    Plötzlich beginnt er, sich vor mir zu entkleiden. Damit habe ich nicht gerechnet, und am liebsten würde ich ihm sagen, dass er sich wieder anziehen soll, aber als er so vor mir steht, nur noch Boxershorts am Leib und die safranfarbene Robe zu seinen Füßen, beobachte ich eine faszinierende Wandlung. Seine mönchsgleiche Haltung und Persönlichkeit schmelzen innerhalb weniger als einer Minute dahin. Nun kommt seine andere Seite zum Vorschein. Sie ist härter, ursprünglicher, mehr aufs Überleben ausgerichtet, krimineller. Jetzt sehe ich ganz deutlich den jungen Mann vor mir, der früher yaa baa rauchte und damit handelte. Seine Stimme klingt kräftiger und heiserer. Er tritt an das einzige Fenster der Hütte, um auf den Hof mit den Elefanten zu blicken.
    »Gamon«, sage ich.
    Er seufzt. »Da ist noch mehr.«
    »Verraten Sie es mir. Es könnte jemandem das Leben retten.«
    »In ihrer letzten E-Mail hat sie nicht die ganze Geschichte erzählt«, erklärt er in mühsam beherrschtem Tonfall.
    Ich habe das Gefühl, dass er mir das Gesicht zuwenden möchte, das aber nicht schafft. Er bleibt im Profil. »Dinge, an die sie sich nicht erinnern oder über die sie nicht nachdenken wollte, hörten in ihrem Kopf einfach auf zu existieren.«
    Schließlich bringt er doch den Mut auf, mir in die Augen zu sehen. »Sie haben den Inzestaspekt erkannt, aber nicht seine Bedeutung.«
    »Erläutern Sie sie mir, mein Freund, solange noch Zeit dazu ist.«
    Ein tiefer Seufzer. »Es begann, genau so, wie sie sagte: Zwei verängstigte Kinder in einer feuchten Hütte mit zwei Räumen; die Eltern tranken, rauchten yaa baa, bumsten im Nachbarzimmer, und wir kriegten zwei Tage lang nichts zu essen. Wenn Mum high und Dad völlig neben der Kappe war, rief er sie zu sich, weil er gern Sex und Voodoo kombinierte. Hinterher sah sie immer aus wie eine vierzehnjährige Oma. Sie hielt ihn davon ab, sich an mir zu vergreifen, schützte mich mit ihrem eigenen Körper.« Wieder langes Seufzen. »Aber auch sie hatte Bedürfnisse.«
    Nach einer Pause beginnt er von Neuem, diesmal mit kräftigerer Stimme. »So fing es an. Sie zeigte mir, was sie wollte, und wie. Und als ich älter wurde, zeigte sie mir, was ich wollte, und gab es mir. Meine erste sexuelle Erfahrung war Weltklasse, könnte man sagen.«
    Er hüstelt. »Was wäre wohl ohne den Inzest aus Damrong und mir geworden?«
    Langes Schweigen. »Nach ihrer ersten Tour in Singapur hatte sie sich verändert. Sie war erst achtzehn, aber schon eine richtige Frau.« Er leckt sich die Lippen. »Und eine Nutte. Nutten leiden unter schrecklicher Liebessehnsucht – Sie wissen das. Sie bumsen und bumsen und bumsen, und nie kommt Liebe dabei heraus, egal, wie sehr sie sich bemühen. Irgendwann ergreift eine Art Wahn von ihnen Besitz. Sie brauchen einen richtigen Partner, und wenn’s nur ein hässlicher, kaputter alter Weißer ist …«
    »Oder ein naher Verwandter.«
    Er nickt. »Nach jeder Tour kam sie voller Begierde zu mir. Normalerweise fuhr sie nach Surin und rief mich zu sich in ein Hotel. Nach einem guten Monat gönnte sie sich eine Fünf-Sterne-Suite. Sie zeigte mir gern die Macht ihres Geldes. Ihre Lust auf mich war so stark, dass es fast wie eine Vergewaltigung ablief. Aber natürlich wollte
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