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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch
Autoren: John Burdett
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Tanakan, der unser Gespräch belauscht hat, tritt an das Fenster der Nachbarzelle.
    »Wie viel?«, zischt er. »Sagen Sie mir einfach, wie viel Sie wollen.« Jede Silbe dieses kurzen Satzes zeugt von seiner hohen Stellung, seiner Vertrautheit mit den wirklich Wichtigen unserer Gesellschaft und seiner angeborenen Härte. Sein Thai ist so viel eleganter als das meine, dass ich fast versucht bin, Englisch zu sprechen.
    »Darauf habe ich keinen Einfluss«, antworte ich.
    »Vikorn? Steckt Vikorn hinter alledem?«
    »Nein«, sage ich. »Das Mädchen selbst.«
    »Was reden Sie da? Das Mädchen ist tot.«
    »Nur in gewisser Hinsicht. Ihr Wille, könnte man sagen, erfreut sich bemerkenswerter Vitalität.« Er sieht mich mit finsterem Blick an. »Es war doch hauptsächlich Ihr Geld, mit dem das Projekt finanziert wurde, oder? Sie ließen die Million für ihre Dienste springen, minus die vernachlässigenswerte Investition von Smith. Natürlich wussten Sie, dass Sie einen Adjutanten, einen Sündenbock, einen consigliere, brauchten, weil Sie es sich nicht leisten konnten, mit der Angelegenheit in Verbindung gebracht zu werden. Und hin und wieder wurde man vielleicht auch gezwungen, seinen Willen durchzusetzen, zum Beispiel bei Khun Kosana, Ihrem fatal indiskreten Sklavenkumpel, und seinem Lover Pi-Oon. Sonst hätten Sie Smith vermutlich zum Beweis Ihrer Macht umbringen lassen wie Nok, schon deshalb, weil Damrong Sie mit ihm eifersüchtig machte. Schließlich ist er größer, jünger, stärker und kommt aus dem Westen. Wie sehr Damrong Sie doch verletzt, Ihre Tage und Nächte monatelang vergiftet haben muss, wenn Sie auf eine so riskante Idee wie die Investition in dieses Snuff Movie verfielen. Können Sie denn zugeben, dass Sie sie liebten?«
    »Wovon reden Sie?«
    »Ja, Ihnen gegenüber kann ich das sagen. Merkwürdig, nicht? Sie sind so viel härter als Ihr Komplize Smith, aber trotzdem fällt mir bei Ihnen dieses Wort ein. Letztlich war sie Ihr genaues Gegenteil, Ihre Ergänzung. Sie im Penthouse, Damrong in der Gosse. Sie streute Salz in Ihre Wunde, indem sie Ihnen von Smith erzählte, dem attraktiven farang, dessen Schwanz so viel größer war als der Ihre. Sie verstand es meisterhaft, Sie eifersüchtig zu machen, wenn Sie glaubten, die Oberhand zu haben. Stimmt’s?«
    »Und?«
    »Begierde kennt keine Klassenunterschiede. Damrongs absolute und intime Kenntnis Ihrer animalischen Seite trieb Sie in den Wahnsinn. Sie wusste, woher Ihr Ehrgeiz rührte, aus einer Art Lebenshass – exakt der gleiche Impuls, der auch sie antrieb. Sie wurden reich durch Ihre Rache am Leben, genau wie Damrong, jedenfalls am Schluss. Und dann war da noch Ihre Mutter. Letztlich konnte nur eine Nutte Sie wirklich anturnen.«
    Er bedenkt mich mit einem durchdringenden Blick. »Erklären Sie die Sache mit dem Elefanten, damit wir’s endlich hinter uns haben.«
    Er zieht sich in einen dunklen Winkel seiner Zelle zurück.
    »Keiner bezweifelt, dass Sie härter sind als Stahl, Khun Tanakan. Das würden alle, die Sie kennen, bestätigen. Aber überlegen Sie Folgendes: Wenn sie hier in der Lage ist, Sie Nacht für Nacht zu erreichen und sexuell bis zur Erschöpfung auszupumpen, welche Chance haben Sie dann auf der anderen Seite?« Chinesen sind noch abergläubischer als wir. Seine rechte Hand zuckt, er wendet sich schaudernd der Wand zu.
    Drüben in einer Ecke des Hofs machen sich die Khmer gerade wieder an die Konstruktion der ersten Bambuskugel, die allmählich Gestalt annimmt. Nach etwa einer Stunde geben sie auf. Zu heiß. Es hat ja auch keine Eile. Die Show wird weder heute noch morgen beginnen.

35
    Der Morgen, der blutrot über den östlichen Baumspitzen herandämmert, kündet von einem weiteren unerträglichen Tag. Irgendwann beginnt die Luft zu dampfen, und der Mensch tut alles in seiner Macht Stehende, um der Hitze zu entkommen. Die Sonne bleibt normalerweise hinter einem pulsierenden Feuchtigkeitsschirm verborgen, sodass der Himmel grell und schwül zu strahlen scheint. Ich wache früh auf, vor dem ersten Tageslicht, wasche mich an einem Steintrog vor meiner Hütte und schlinge den Sarong um den Leib.
    Mit am Körper klebendem Sarong beschließe ich, die Stufen zu Gamons Hütte hinaufzusteigen, wo ich gegen die Tür drücke. Sie öffnet sich, und ich trete über die Schwelle. Ein Toter, denke ich, könnte nicht im halben Lotussitz verharren, aber besonders lebendig wirkt er nicht. Er meditiert mit dem Rücken an der Wand unter einem Fenster. Ich
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