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Der buddhistische Mönch

Der buddhistische Mönch

Titel: Der buddhistische Mönch
Autoren: John Burdett
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Polizisten, das zu gestatten.« Ich hole tief Luft. Mir fehlen die Worte.
    Nun starrt er ebenfalls die Elefanten an. »Die Magie macht sich Rituale und verbotenes, in jeder Kultur verborgenes Wissen zunutze. Sie war nicht bereit, sich je wieder zum Opfer machen zu lassen, auch nicht vom Tod. Ihren eigenen musste sie in einen weiteren Sieg verwandeln, einen noch größeren, mit noch mehr Blut. Sie wusste, dass sie mich früher oder später an den Buddha verlieren würde. Deshalb wollte sie ihr Spiel auf eine neue Ebene verlagern, mich von der anderen Seite aus kontrollieren, von wo aus sie so viel mächtiger wäre.«
    Er betrachtet zuerst den safranfarbenen Stoff zu seinen Füßen, dann mich. »Ich bin der kleine Bruder, Detective. Ich folge den Ratschlägen der Älteren. Was soll ich tun?«
    »Ziehen Sie Ihre Robe wieder an, Phra Titanaka. Es verstößt gegen die Regeln, sie selbst abzulegen. Das kann nur der Sangha.«
    Ich verlasse ihn, gehe die große Holztreppe hinunter, überquere den Hof und versuche, meinen Geist auf einen weiteren unerträglichen Tag in der Hitze vorzubereiten. Vom Schatten meiner Hütte aus blicke ich hinüber zu Gamons geschlossener Tür und frage mich, welches Ungeheuer dort gerade das Licht der Welt erblickt.

36
    Gestern wurde die tödliche Langeweile erneut unterbrochen. Die Khmer beschlossen, Leben in die Sache zu bringen, indem sie einen der Elefanten erschossen. Sie sprachen mit dem mahout, der ihnen offenbar sagte, dass er sie für verrückt halte, dass das ein wahnwitziger Plan sei, dass nichts Gutes daraus erwachsen werde. Doch sie lachten ihn aus und begannen, aus dem Schutz einer Hütte heraus auf das Tier zu feuern. Die Kugeln drangen in den Kopf des Elefanten, rissen ihm den Rüssel weg. Es dauerte mehr als eine Stunde, bis er endlich starb. Die anderen beiden Dickhäuter versuchten, herzzerreißende Laute ausstoßend, ihren leidenden Artgenossen mit den Rüsseln zu trösten. Die Khmer fanden das zum Brüllen komisch.
    Als sie am späten Nachmittag auf dem Balkon der Hütte schliefen, griffen die Tiere an. Einer der Khmer entkam. Smith, Tanakan und ich sahen, wie die Elefanten die Hütte und den darin verbliebenen Wachmann mit maßloser Wut niedertrampelten. Nach wenigen Minuten waren dort, wo sich das Gebäude befunden hatte, nur noch Splitter, Knochen, Blut und Holz. Die beiden Giganten schleuderten mit ihren Rüsseln Balken durch die Luft und spießten mit ihren Stoßzähnen den toten Khmer auf. Auch das schienen seine Kumpane ziemlich komisch zu finden. Tanakan und Smith wurden aschfahl; ich vermutlich ebenfalls.
    Es ist erschreckend, wie schnell wir uns an die neuen Gegebenheiten gewöhnten: eine zersplitterte Hütte, ein Elefantenkadaver mitten auf dem Hof, menschliche Überreste, die allmählich zu stinken begannen. Der Überlebenstrieb ist unser wahrer Gott auf Erden, denn sonst wären wir vermutlich schon vor Jahrtausenden auf weniger anstrengende Planeten ausgewandert. Smith, Tanakan und ich sind Wilde, weil wir uns mit der Barbarei abfinden. Bei Gamon bin ich mir nicht so sicher. Er ist heute überhaupt noch nicht aus der Hütte gekommen, nicht einmal, als Schüsse, Schreien und Lachen erklangen. Wir haben es geschafft, uns sogar den Hass der Tiere zuzuziehen.
    Als ich mir die von den Elefanten zerstörte Hütte genauer ansah, entdeckte ich ein paar Säcke yaa baa in Pulverform. Schon zuvor war mir aufgefallen, dass die Khmer hin und wieder an ihren Fingern leckten.
    Der Angriff der Elefanten hatte den Effekt, dass die Khmer, die ständig high vom yaa baa waren, sich zu konzentrieren begannen. Mit einem Mal machten sie sich ernsthaft an die Konstruktion der Bambuskugeln, die am Ende des Tages fertig wurden. Ich beobachtete, wie sie sie auf den Hof rollten, sie auf ihre Haltbarkeit prüften und die Einstiegsluken testeten. Zwei von ihnen traten ans Fenster von Smiths Hütte, um seine Größe mit der seiner Kugel zu vergleichen, die ein wenig kleiner ausgefallen war als die für Tanakan. Dann zogen sie sich zurück. Allmählich richteten sich die Blicke aller auf die geschlossene Tür zu Gamons Hütte.
     
    Stunden sind vergangen. Mittlerweile bin ich mit allen subtilen Nuancen der Hitze vertraut. Die schlagartig einsetzende des Morgens unterscheidet sich deutlich von der unerbittlichen des Mittags und der dumpfen Schwüle des Spätnachmittags. Es dürfte etwa vier Uhr sein, als ich eine Erschütterung von Gamons Holzhütte wahrnehme, was bedeutet, dass er sich darin
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