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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles
Autoren: Robert Sheckley
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    König Dramokles, Herrscher von Glorm, wachte auf, schaute umher und wußte nicht, wo er war. Das passierte ihm häufig, denn er hatte die Angewohnheit, in verschiedenen Zimmern seines Palastes zu schlafen, so wie er gerade Lust hatte. Der Palast von Ultragnolle war das größte von Menschen erschaffene Gebilde auf Glorm, vielleicht sogar in der Galaxis. Er war so groß, daß man in seinem Inneren extra ein Transportsystem hatte errichten müssen. In diesem kolossalen Gebäude besaß Dramokles siebenundvierzig persönliche Schlafzimmer. Ungefähr sechzig weitere Räume waren mit Sofas, Ausziehbetten, Luftmatratzen und dergleichen ausgestattet und dienten dem König ebenfalls als gelegentliche Schlafstätten. Infolgedessen war das Zubettgehen für Dramokles stets ein nächtliches Abenteuer und das Aufwachen ein tägliches Rätsel.
    Dramokles setzte sich auf, schaute sich um und stellte fest, daß er die Nacht auf ein paar Kissen in einem der Wuschelzimmer zugebracht hatte; diese Zimmer wurden so genannt, weil in den Ecken große Büschel schwarzen Haares wuchsen. Nachdem dies geklärt war, wandte Dramokles sich dem Problem Kaffee zu. Normalerweise ließ sich dieses Problem lösen, indem man auf einen Knopf neben dem Bett drückte. Das löste dann einen Alarm in der königlichen Küche aus, der die riesige Capuccino-Maschine in Gang setzte. Die Maschine hatte einen Kessel, der groß genug gewesen wäre, um eine Lokomotive anzutreiben. Zehn Diener waren rund um die Uhr damit beschäftigt, die großen Feuer unter ihm in Gang zu halten, die Filter zu reinigen, frisch gemahlenen Kaffee einzufüllen und all die anderen Handgriffe zu erledigen. Kurz darauf floß dann dampfender Capuccino durch meilenlange Kupferrohre und strömte schließlich in dem Zimmer, in dem Dramokles ihn gerade haben wollte, aus einem Zapfhahn.
    Diesmal jedoch hatte Dramokles in einem Teil seines Palastes geschlafen, der noch nicht an das Kaffee-Leitungsnetz angeschlossen war. Ärgerlich zog er seine Jeans und sein T-Shirt an und ging hinaus in den Korridor.
    Ein sauber geprägtes Schild an der Wand des Korridors verriet ihm, daß er sich am Koordinatenpunkt R52-J26 befand. Eine Schiene befand sich in der Mitte des Korridors. Er war also wenigstens noch im Bereich des Palast-Transportsystems. Natürlich war kein Zug in Sicht. Dramokles studierte den Fahrplan, der an der Wand hing, und sah, daß mit dem nächsten Zug erst in vierzig Minuten zu rechnen war. Er griff zum Notruf-Telefon und rief Transport Central an.
    Das Telefon klingelte viele Male. Endlich sagte eine ungehobelte Stimme: »Jaa, was gibt’s denn?«
    »Ich will, daß man mir sofort einen Zug schickt«, sagte Dramokles.
    »So, wollen Sie das? Also, das können Sie mal vergessen. Die Hälfte unserer Züge ist in der Werkstatt, und der Rest ist an wichtigeren Orten im Einsatz. Da draußen, wo Sie sind, gibt’s ja nichts, außer einer Menge haariger Schlafzimmer.«
    »Hier spricht König Dramokles«, sagte Dramokles mit gefährlich klingender Stimme.
    »Tatsächlich? Augenblick, ich überprüfe Ihren Stimmabdruck…. Ja, Sie sind es wirklich. Also, Sire, tut mir wirklich leid, wie ich mit Ihnen gesprochen habe. Aber Sie wissen ja, wie das ist. Tag und Nacht rufen mich Adlige an und fordern Züge für ihren Privatgebrauch an. Im Moment ist es besonders schlimm, wegen Friedensfeierlichkeiten.«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte Dramokles. »Wie schnell können Sie mir einen Zug herschaffen?«
    »In sieben Minuten, Sire. Ich werde den Pantheon-Express umleiten, bevor er in den Chapultepec-Bahnhof einläuft, und.«
    »Hat er eine Kaffeemaschine an Bord?«
    »Moment, ich sehe nach. Nein, Sire, im Pantheon gibt’s nur Instant-Kaffee und vertrocknete Teilchen. Wenn Sie mir zwanzig Minuten Zeit geben, kann ich Ihnen einen modernen Frühstückszug schicken.«
    »Schicken Sie mir den Pantheon«, sagte Dramokles. »Ich werde später frühstücken.«
    Eine Viertelstunde verstrich. Keine Einschienenbahn tauchte auf. Dramokles griff erneut zum Telefon, aber diesmal drang nur ein nervtötendes Getute aus dem Hörer. Schließlich teilte ihm eine Tonbandstimme mit, daß alle Leitungen besetzt seien und er es über die Telefonzentrale des Palastes versuchen solle. Vergeblich brüllte Dramokles, daß er der König sei und alle anderen Anrufe sofort unterbrochen werden sollten. Niemand hörte ihn.
    Steifbeinig ging er zurück zu seinem Schlafzimmer, um seine Zigaretten zu holen, aber nun wußte er nicht
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