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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles
Autoren: Robert Sheckley
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regelmäßig Hof halten, damit der Kammerherr den Gesetzen Othos und seiner Vorgänger gemäß juristische Entscheidungen treffen konnte. Davon abzuweichen, sich unorthodox, oder schlimmer noch, unberechenbar zu verhalten, hätte ungeahnte Folgen haben können. Dramokles wußte, was seine Pflicht war. Er würde niemals, nur seines Amüsements wegen, leichtfertig das Leben von Millionen Menschen aufs Spiel setzen. Er würde so weitermachen, vernünftig, besonnen, berechenbar, bis er schließlich ins Grab sank. Der Gute König Dramokles, der sein Leben zum Wohle seiner Untertanen verschwendet hatte.
    Dramokles fügte sich in sein Schicksal, aber er fand es bitter. Jeder andere konnte auf einen Wandel zum Besseren hoffen; nur der König durfte sich überhaupt keinen Wandel wünschen. Unglücklich ging er zu seinem Computer und klagte ihm sein Leid.
    Der Computer sagte Dramokles, was der ohnehin schon gewußt hatte – daß er so weitermachen müßte, wie bisher.
    »Aber wie lange wird das dauern?«
    Der Computer stellte Berechnungen an. »Dreißig Jahre, Herr. Danach sind Sie frei zu tun, was immer Sie wollen.«
    »Dreißig Jahre? Das ist ja ein halbes Leben! Nein. Ich werde abdanken, heimlich unter falschem Namen woanders hingehen.«
    »Warten Sie, Sire – es besteht noch Hoffnung. Tun Sie Ihre königliche Pflicht, und ich werde es für Sie arrangieren, daß Sie in dreißig Jahren alles bekommen, was Sie sich wirklich wünschen. Und Sie werden auch Zeit haben, es zu genießen.«
    »Wie willst du das schaffen?«
    »Ich habe meine Methoden«, sagte der Computer. »Ich bin der wohl größte Intellekt im ganzen Universum, ich kenne Sie besser als irgend jemand sonst, und ich bin Ihr Diener. Vertrauen Sie mir, und ich werde alle Ihre Träume erfüllen.«
    »Gut, in Ordnung«, sagte Dramokles ein wenig unfreundlich. »Dann habe ich wenigstens etwas, auf das ich mich freuen kann.«
    »Ich fürchte, nein, Sire. Bevor ich anfangen kann, muß ich jede Erinnerung an diese Sache aus Ihrem Gedächtnis entfernen. Wenn Sie wüßten, daß ich eine große Zukunft für Sie plane, würde sich Ihr Verhalten dadurch auf unkalkulierbare Weise verändern und so möglicherweise die Ereignisse, die ich für Sie plane, unmöglich machen. Das nennt man eine Indeterminations-Situation.«
    »Wenn du meinst«, sagte Dramokles. »Aber es ist schon ein wenig seltsam, daß ich mich nie an dieses Gespräch erinnern werde.«
    »Zum Schluß«, versprach der Computer, »werden Sie alle Ihre fehlenden Erinnerungen zurückerhalten, einschließlich dieser.«
    Dramokles nickte. Und dann war er wieder in der Gegenwart.
    »Was ist mit Otho« fragte Dramokles. »Was ist mit Tlaloc?«
    »Herr«, sagte der Computer, »ich kann alle scheinbaren Unstimmigkeiten in der Geschichte erklären. Aber verstehen Sie denn die Fachterminologie der Theorie von den provisionalen Realitätsrahmen?«
    »Lassen wir’s lieber«, sagte Dramokles. »Ich muß zugeben, daß es dir gelungen ist, einen beträchtlichen Teil meines Lebens zu komplizieren.«
    »Natürlich, Sire. Ich habe dieses Drama ganz nach Ihren eigenen Wünschen gestaltet und Ihnen, soweit das in meiner Macht stand, gegeben, was Sie wollten. Liebe, Krieg, Familienrivalitäten, Intrigen, und einen Hauch von Magie – alles große Themen, wie sie einem König angemessen sind. Daraus webte ich Ihre Bestimmung. Aber wenn ich sage, daß ich das alles tat, meine ich in Wirklichkeit, daß Sie selbst es waren, denn Sie haben mir befohlen, mich so zu programmieren, daß ich Ihre Träume in Realität umsetzen konnte. Sie selbst, mein König, waren die rätselhafte Figur im Hintergrund, der Unbekannte, der alle Ihre Schritte beeinflußte und lenkte.«
    »Wenn das so ist«, sagte Dramokles, »dann muß ich mich wohl bei mir selbst für das alles bedanken. Aber du hast auch gute Arbeit geleistet, Computer.«
    »Danke, Sire.«
    »Gibt es noch etwas zu sagen?«
    »Nur noch dies. Nun ziehe ich mich aus dem Drama Ihres Lebens zurück. Von jetzt an sind Sie so frei, wie ein Mensch sein kann, und das ist viel wert. Ab jetzt hängt es ganz allein von Ihnen ab, Dramokles, was Sie mit Ihrem Leben anfangen und wie Sie es verpfuschen.«
    »Du mußt aber auch immer das letzte Wort haben, nicht wahr?«
    »Immer«, sagte der Computer.
    »Was weißt du über meine Zukunft?«
    »Nichts, Herr. Sie ist unvorhersehbar.«
    »Ist das auch bestimmt wahr?«
    »Ja, Sire. Es ist alles enthüllt, und gleich nach dieser Unterhaltung werde ich mich selbst
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