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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles
Autoren: Robert Sheckley
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bescheidenen Lebensunterhalt, indem ich mich für Leute an Dinge erinnerte, an die selbst sich zu erinnern sie zu beschäftigt waren. >Clara<, sagten Sie zu mir (meinen Namen hatten Sie über der Tür gelesen – Claras Gedächtnis-Service), >ich habe hier eine Botschaft von größter Wichtigkeit, von der ich will, daß du sie auswendig lernst und sie mir in genau dreißig Jahren überbringst, denn dann wird es nötig sein, daß ich mich an sie erinnere. Ich selbst werde sogar dieses Gespräch vergessen bis zu dem Tag, an dem du kommst, um mich daran zu erinnern, denn so wurde es bestimmt.
    >Sie können mir vertrauen, Hoheit<, sagte ich.
    >Daran zweifle ich nicht<, erwiderten Sie, >denn ich habe deinen Namen vorsichtshalber in die offizielle Verbrecherliste aufnehmen lassen, mit dem Vermerk, daß deine Hinrichtung in genau dreißig Jahren und einem Tag erfolgen soll. Deshalb kann ich mich bestimmt darauf verlassen, daß du rechtzeitig kommen wirst.< Und dann lächelten Sie mich an, Sire, übergaben mir die Botschaft und gingen.«
    »Da mußt du ja mächtig in Sorge gewesen sein, daß du auf dem Weg hierher aufgehalten werden könntest«, sagte Dramokles.
    »Vorsichtshalber übersiedelte ich kurz nach unserer Begegnung in Ihre große Stadt Ultragnolle und betrieb meinen Gedächtnis-Service von da an in der Straße der Schildwachen, nur fünf Minuten Fußweg vom Palast entfernt.«
    »Du bist eine kluge und verständige Frau, Clara. Erzähle mir nun, was ich dir damals erzählt habe.«
    »Sehr gerne, Sire. Das Schlüsselwort ist – Shazaam!«
    Als er dieses Wort aus der Alten Sprache hörte, erinnerte sich Dramokles plötzlich leuchtend hell an einen bestimmten Tag vor dreißig Jahren.

3
    Dreißig Jahre wirbelten vorbei wie eine sich auflösende Wochenschau-Montage. Der junge, zwanzigjährige Dramokles saß in seinem privaten Studierzimmer und schluchzte. Er hatte gerade die Nachricht erhalten, daß sein Vater, König Otho von Glorm, allgemein bekannt als »Der Sonderbare«, vor wenigen Minuten bei der Explosion seines Labors auf dem Mond Gliese ums Leben gekommen war. Vermutlich war Otho selbst ein Fehler unterlaufen, denn er war zu diesem Zeitpunkt allein im Labor, ja sogar auf Gliese gewesen. Es war ein dem König angemessen pompöser Tod gewesen, eine Atomexplosion, die den ganzen Mond in Stücke gerissen hatte.
    Morgen würde ganz Glorm um Otho trauern. Ein paar Tage später würde Dramokles zum neuen König gekrönt werden. Obwohl er sich darauf freute, weinte Dramokles, denn er hatte seinen schwierigen und unberechenbaren Vater geliebt. Doch in seinem Herzen rangen Schmerz und Freude miteinander; kurz vor der schicksalhaften Reise nach Gliese hatte Otho mit seinem Sohn ein Gespräch von Mann zu Mann geführt. Er hatte ihn an die Pflichten erinnert, die auf ihn zukamen, wenn er König sein würde. Und dann hatte er ganz unvermittelt die große Bestimmung enthüllt, die vor Dramokles lag.
    Dramokles war begeistert von dem gewesen, was Otho ihm erzählt hatte. Er hatte sich schon immer eine Bestimmung gewünscht. Von nun an würde sein Leben Sinn und Zweck haben, und das war das Großartigste, was einem widerfahren konnte.
    Es gab nur einen einzigen Haken. Wie Otho ihm erklärte, konnte Dramokles seine Bestimmung noch nicht aktiv erfüllen. Er würde noch warten müssen, noch sehr lange warten. Dreißig Jahre würde es dauern, bis die Zeit reif war. Dann erst konnte Dramokles’ Bestimmung sich erfüllen, keinen Tag früher.
    Dreißig Jahre! Ein Menschenalter! Und er würde nicht nur warten müssen. Er mußte seine Bestimmung außerdem geheim halten, bis die Stunde des Handelns kam. Es gab niemanden, dem er bei einer so großen Sache hätte trauen können. Niemand durfte davon erfahren, nicht einmal seine vertrauenswürdigsten Freunde und Berater.
    »Verdammter Mist«, schimpfte Dramokles, »genaugenommen kann ich nicht mal mir selbst bei dieser Sache trauen. Eines Tages, wenn ich gerade high oder besoffen bin, werde ich mich verplappern. Ich bin der Letzte, dem ich ein solches Geheimnis anvertrauen würde.«
    Eine Weile brütete er darüber nach, rauchte eine Zigarette nach der anderen und zog verschiedene Lösungen in Erwägung. Schließlich faßte er einen spontanen Entschluß und rief Dr. Fisch, seinen psychiatrischen Androiden.
    »Fisch«, sagte er kurz angebunden, »Ich habe da ein bestimmtes Wissen in meinem Hirn. Ich will dieses Wissen vergessen.«
    »Es ist kein Problem, einen Gedanken oder auch eine
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