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Ploetzlich blond

Titel: Ploetzlich blond
Autoren: Meg Cabot Katarina Ganslandt
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»Emerson Watts?«
    Die Stimme unseres Rhetoriklehrers Mr Greer schreckte mich aus meinem Dämmerzustand.
    Na ja, normal, oder? Erwarten die etwa allen Ernstes, dass wir morgens um Viertel nach acht hellwach sind? Also bitte.
    »Ja, hier! Anwesend!« Ich riss den Kopf von der Tischplatte hoch und tastete meine Mundwinkel verstohlen nach eventuellen Sabberspuren ab.
    Anscheinend nicht verstohlen genug. Whitney Robertson, die mit anmutig übereinandergeschlagenen langen, gebräunten Beinen ein paar Tische von mir entfernt saß, lachte nämlich verächtlich auf und zischte: »Pennerin.«
    Ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu und flüsterte tonlos: Leck mich .
    Darauf verengte sie ihre stark geschminkten veilchenblauen Augen, grinste herablassend und flüsterte ebenso tonlos zurück: Das hättest du wohl gern.
    »Ich bin gar nicht die Anwesenheitsliste durchgegangen, Em.« Mr Greer unterdrückte ein Gähnen. Aha, er war also genauso spät ins Bett gekommen wie ich. Allerdings – im Gegensatz zu mir – wohl kaum, weil er in letzter Minute noch panisch die Hausaufgaben für den Rhetorikkurs erledigt hatte. »Ich habe dich aufgerufen, weil du jetzt mit deinem Zwei-Minuten-Vortrag dran bist. Wir hatten doch ausgemacht, dass ich euch diesmal in umgekehrter alphabetischer Reihenfolge drannehme.«
    Toll. Echt toll.
    Verlegen stand ich auf und trottete langsam nach vorn zur Tafel, während alle leise kicherten. Außer Whitney. Was aber nur daran lag, dass sie inzwischen einen kleinen Schminkspiegel aus ihrer Tasche gezogen hatte und sich darin bewunderte. Lindsey Jacobs, die neben ihr saß, starrte sie hingerissen an und flüsterte: »Wow. Der Farbton von dem Lipgloss ist echt wie für dich gemacht.«
    »Ich weiß«, hauchte Whitney ihrem Spiegelbild verliebt zu.
    Ich kämpfte tapfer gegen den aufsteigenden Brechreiz an. (Aus Nervosität und nicht etwa wegen den beiden. Obwohl … ich finde sie wirklich ziemlich zum Kotzen.) Dann wandte ich mich der Klasse zu. Vierundzwanzig Augenpaare blinzelten mich verschlafen an.
    »So, Em«, sagte Mr Greer. »Du hast zwei Minuten.« Er drehte an seiner Eieruhr. »Und …«
    Faszinierend. Kaum hatte er »Und …« gesagt, hatte ich ein komplettes Blackout. Ich hatte jedes, aber auch wirklich jedes Wort des Vortrags vergessen, an dem ich die halbe Nacht lang gearbeitet hatte. Ich konnte nur noch eines denken: Woher hatte Lindsey das gewusst? Dass der Farbton des Lipglosses wie für Whitney gemacht war, meine ich? Ich lebe immerhin schon seit fast siebzehn Jahren auf diesem Planeten und habe immer noch keine Ahnung, welcher Farbton mir stehen würde … geschweige denn irgendjemand anderem.
    Ehrlich gesagt glaube ich ja, dass daran mein Vater schuld ist. Angeblich habe ich meine Mutter, als sie mit mir schwan ger war, immer so rabiat getreten, dass er sich trotz des ziemlich eindeutigen Ultraschallbilds absolut sicher war, dass ich nur männlichen Geschlechts sein konnte. Deshalb hatte er sich auch nur einen Namen für einen Jungen überlegt. Selbst als ich dann auf der Welt war und zweifelsfrei feststand, dass das Ultraschallbild recht gehabt hatte, ließ er sich nicht davon abbringen, mich auf den Namen seines Lieblingsschriftstellers zu taufen. Tja, so kann es einem gehen, wenn man einen Literaturwissenschaftler zum Vater hat. Und da meine Mutter – die damals von ihrer Peridural-Anästhesie wahrscheinlich noch immer komplett neben der Spur war – nichts dage gen unternommen hat, steht in meiner Geburtsurkunde jetzt Emerson Watts .
    Toll. Ich bin wahrscheinlich das einzige Mädchen, das von sich behaupten kann, schon im Mutterleib ein Opfer typischer Geschlechterklischees geworden zu sein.
    »… los!«, sagte Mr Greer und nahm die Hand von der Eieruhr.
    Plötzlich fiel mir alles wieder ein, was ich am Vorabend zu meinem Thema recherchiert hatte.
    Puh!
    »Neununddreißig von hundert PC-Spielern«, begann ich meinen Vortrag, »sind Mädchen und junge Frauen. Trotzdem ist nur ein winziger Bruchteil der Spiele, die die Computerspielbranche entwickelt – eine Branche, die übrigens weltweit jährlich ungefähr fünfunddreißig Milliarden Dollar umsetzt – auf eine weibliche Zielgruppe ausgerichtet.«
    An dieser Stelle legte ich eine dramatische Kunstpause ein, die ich mir allerdings genauso gut hätte sparen können.
    Okay, wahrscheinlich kann man niemandem einen Vorwurf machen. Es war wirklich noch verdammt früh am Morgen.
    Aber trotzdem. Nicht einmal Christopher, der bei uns im
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