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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles
Autoren: Robert Sheckley
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mehr, in welchem Raum er geschlafen hatte. In diesem Sektor gab es nur Wuschelzimmer. Auch alle anderen Telefone funktionierten offenbar nicht. Nicht einmal der Feueralarm ließ sich auslösen.
    Wütend stapfte Dramokles den Korridor hinunter. Er schätzte, daß er mindestens eine Stunde zu laufen haben würde, um in einen der belebteren Sektoren Ultragnolles zu gelangen. Was hatte er letzte Nacht nur in diesem gottverlassenen Sektor getrieben? Er glaubte, sich an eine Party, an Drogen und an Alkohol zu erinnern, dann ließ ihn sein Gedächtnis im Stich. Er trottete weiter und blieb stehen, als er hinter sich Motorengeräusch hörte.
    Weit hinten im Korridor näherte sich ihm etwas Kleines mit einem gelben Blinklicht. Es wurde größer und entpuppte sich als Korridor-Wägelchen – ein einrädriges Gefährt, das vom Adel benutzt wurde, um sich zügig durch den Palast bewegen zu können.
    Der Wagen hielt neben ihm. Die Plexiglashaube klappte auf, und ein fröhlicher Junge von etwa zwölf Jahren schaute hinaus und sagte: »Bist du das, Vater?«
    »Natürlich bin ich es«, sagte Dramokles. »Welcher bist du?«
    »Ich bin Sanizat, Vater«, sagte der Junge. »Andrea, von der du dich vor zwei Jahren hast scheiden lassen, ist meine Mutter.«
    »Andrea? Eine kleine, dunkelhaarige Frau mit einer schrillen Stimme?«
    »Das ist sie. Wir wohnen im St. Michel-Sektor von Glorm. Mutter ruft dich oft wegen ihrer Träume an.«
    »Sie glaubt, es seien böse Omen«, sagte Dramokles. Er setzte sich neben Sanizat. »Bring mich nach Palast-Central.« Sanizat beschleunigte das Korridor-Wägelchen so heftig, daß der Wachs des Korridorbodens versengt wurde.

    Nach einer Weile weitete sich der Korridor zu einem breiten, mit Balustraden versehenen Balkon. Sanizat fuhr eine große Treppe hinunter und bremste ab, als sie sich der großen Kuppel des St. Leopold’s Square näherten. Hier befand sich ein bedeutender Markt. Es gab eine Unmenge gestreifter Zelte, vor denen Menschen und Aliens saßen und eine große Zahl unterschiedlichster Waren anboten. Da waren Geiselmenschen aus Glorms nördlichster Provinz, die leuchtende Waliisbeeren in kleinen Weidenkörben verkauften. Da waren Grots, Angehörige jener uralten Rasse, die Glorm vor der Ankunft der Menschen bewohnt hatte; sie nickten über ihren Krügen mit narkotischer Hafergrütze. Brungers aus Dispasia und den Ebenen von Arnapest, imposant in ihrer Nationalkleidung aus poliertem Leder und Taft, boten die fein geschnitzten Spazierstöcke und Miniatur-Pfirsiche an, für die sie berühmt waren. Und hoch über diesem bunten Treiben flatterten die großen blauen und goldenen Banner, auf denen verkündet wurde, daß dies das dreißigste Jahr des Pax Glormicae war.
    Dramokles erspähte ein Kaffeehaus und ließ sich dort von seinem Sohn absetzen. Er stürzte einen doppelten Capuccino hinunter, signierte und fuhr mit einem Korridor-Taxi nach Palast-Central. Rudolphus, der Kammerherr, wartete an den inneren Stufen auf ihn, einen aufgeregten Ausdruck im runden, schnauzbärtigen Gesicht.
    »Sire«, sagte er, »Sie kommen zu spät zur Audienz!«
    »Da ich der König bin«, sagte Dramokles, »kann ich gar nicht zu spät kommen, denn ich bestimme, wann die richtige Zeit ist.«
    »Mal ohne Kasuistik«, sagte Rudolphus, »Sie haben den Termin für die Audienz selbst festgesetzt, und Sie haben mir befohlen, Sie zu rüffeln, wenn Sie zu spät kommen.«
    »Dann betrachte mich jetzt als gerüffelt. Heute abend ist die offizielle Eröffnung der Fax Glormicae-Feierlichkeiten, nehme ich an?«
    »Richtig, Sire, und es ist alles bereit. König Adalbert von Aardvark traf letzte Nacht ein. Wir haben ihn in der kleinen Villa in der Rue Mountjoy untergebracht. Lord Rufus von Druth ist hier mit seinem Gefolge; sie sind in Schloß Trontium einquartiert. König Snint von Lekk wohnt im Hotel Rosengarten an der Tempel-Avenue. Ihr Bruder, Graf John von Crimsole, ist noch auf dem Raumhafen. Nur König Haldemar von Vanir hat es unterlassen, persönlich zu erscheinen oder wenigstens zu telegrafieren.«
    »Genau, wie wir vermutet hatten. Ich werde mich später mit den Königen treffen. War etwas Wichtiges in der Post?«
    »Nur der übliche Mist.«
    Rudolphus gab Dramokles ein Bündel Briefe, das Dramokles in die Hosentasche steckte. »Ich werde es mir später ansehen. Und nun zu dieser Audienz. Und sieh zu, daß es diesmal schneller geht, Rudolphus.«
    »Sire, wenn Sie keine gegenteiligen Anordnungen erteilen, werde ich mich genau
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