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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Autoren: Michael Götschenberg
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überparteilichen Kandidaten. Es ist die SPD, die Rot Grün schließlich erneut auf
Gauck einschwört mit dem Hinweis darauf, dass es nur mit ihm gelingen werde, die FDP aus der schwarz-gelben Koalition herauszubrechen.
Während Rot Grün sich schnell einig wird, kommt es bei der gemeinsamen Sitzung der Partei- und Fraktionschefs von Union und FDP im
Kanzleramt zu dramatischen Szenen: FDP-Chef Rösler entscheidet
sich, auf Gauck zu setzen und hart zu bleiben. Rösler kämpft um sein
politisches Überleben als Parteichef, anders als Guido Westerwelle seinerzeit will er die Präsidentenfrage nutzen, um Profil zu zeigen.
    Die Namen, die Merkel ihm als Kompromisskandidaten präsentiert, sind für Rösler nicht akzeptabel: Der ehemalige evangelische
Bischof Wolfgang Huber gehört dazu, der der SPD nahesteht und den
auch die CSU deshalb nicht will. Wieder einmal schlägt die Union Klaus Töpfer vor, der einmal mehr auf hartnäckigen Widerstand bei
der FDP stößt. Letztlich geht es darum, wer wofür im parteipolitischen
Farbenspiel steht: Töpfer steht für Schwarz-Grün, ist deshalb für die
Liberalen nicht tragbar, genauso wenig wie die Grüne Göring-Eckardt
für die SPD, denn auch sie hat das Image einer Wegbereiterin für ein
schwarz-grünes Koalitionsmodell. Angela Merkel weigert sich hartnäckig in den Gesprächen zwischen den Partei- und Fraktionschefs der
schwarz-gelben Koalition, Gauck als überparteilichen Kandidaten zu
akzeptieren. In einer Schaltkonferenz des CDU-Präsidiums am Nachmittag macht sie die unmissverständliche Ansage, dass Gauck es jedenfalls nicht werde. Es sind nicht nur machtpolitische Gründe, die
Merkel veranlassen, Gauck abzulehnen. Persönlich schätzt sie Joachim
Gauck, doch als Bundespräsidenten hält sie ihn für nur bedingt geeignet: Gauck hat, so sieht es die Kanzlerin, vor allem das eine große
Thema Freiheit, sie befürchtet, dass er zu den großen Problemen, die
die Welt heute beschäftigen, wie die Eurokrise oder die Herausforderungen der Globalisierung, nicht viel zu sagen hat. Hinzu kommt
natürlich, dass die Wahl von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten
vor allem eins deutlich machen würde: dass Angela Merkel sich im
Juni 2010 für den Falschen entschieden hat.

    In einer Gesprächspause am Nachmittag führt der FDP-Chef bei
einer Schaltkonferenz seines Parteipräsidiums den Beschluss herbei,
dass die FDP sich auf Gauck festlegt. Im Kanzleramt erfährt man das
über Meldungen, die Nachrichtenagenturen verbreiten. Der FDP ist
es damit gelungen, den Spieß umzudrehen. Nach dem Rücktritt von
Christian Wulff hatten die Liberalen eigentlich befürchtet, bei der
Präsidentenfrage unter die Räder zu kommen, indem die Kanzlerin
den Schulterschluss mit der SPD suchen könnte. Tatsächlich versucht
Angela Merkel das an diesem Nachmittag auch. Sie meldet sich bei
SPD-Chef Gabriel und bietet ihm einen Kandidaten aus seiner Partei
an: den ehemaligen Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau.
Doch Gabriel hat sich längst mit Rösler auf Gauck verständigt und
sieht damit genau das Szenario Wirklichkeit werden, das man 2010
mit der ersten Kandidatur von Gauck hatte heraufbeschwören wollen: eine Spaltung der schwarz-gelben Koalition. Die manifestiert sich im
weiteren Verlauf des Nachmittags tatsächlich im Kanzleramt. In einer
neuen Gesprächsrunde der schwarz-gelben Partei- und Fraktionschefs
droht die Union mit dem Ende der Koalition, doch die FDP bleibt
hart. Auch ein Vieraugengespräch zwischen Merkel und Rösler bringt
den FDP-Chef nicht von seiner Entscheidung ab, Gauck durchsetzen
zu wollen.

    Am Ende zieht Merkel die Reißleine. Sie lenkt ein und akzeptiert
Gauck. Merkel kommt zu dem Schluss, dass die Präsidentenfrage nicht
wichtig genug ist, um Deutschland politisch mit dem Auseinanderbrechen der Koalition für Monate zu lähmen, inmitten der schwersten
Krise, in der Europa sich seit Jahrzehnten befindet. Am Abend schwört
sie das CDU-Präsidium auf Gauck ein, anschließend kommen die
Partei- und Fraktionschefs von SPD und Grünen ins Kanzleramt.
Merkel ruft Gauck auf dem Handy an, die Nummer erhält sie von
Jürgen Trittin. Zunächst erreicht sie ihn nicht, denn Gauck sitzt im
Flugzeug von Wien nach Berlin. Nach der Landung kommt der Kontakt zustande, Gauck fährt mit dem Taxi ins Kanzleramt. Am späten
Abend, gegen 21:15 Uhr, präsentieren die Parteichefs von CDU, CSU,
FDP, SPD und Grünen Joachim Gauck den Medien als
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