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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Autoren: Michael Götschenberg
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deutliche Sprache: 84 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass der
Ehrensold für Wulff „falsch" ist. Ein Teil der Medien surft auf der
Welle der öffentlichen Empörung. Nahezu täglich berichtet Bild über
neuen „Wirbel" um Wulff bei Ehrensold und Zapfenstreich. Weiterhin hat Bild kein Problem damit, gleichzeitig Christian Wulff zu jagen und Bettina Wulff zu bejubeln. Am Tag nach dem Zapfenstreich
heißt es bei Bild: „Was für eine Frau! Bettina Wulff, Dich werden wir
vermissen.
    Der Bundestag nutzt schließlich die Entscheidung über eine Büroausstattung und das damit verbundene Personal für Wulff, um ihn
symbolisch schlechter zu stellen als seine Vorgänger. Der Fall Wulff wird zum Anlass genommen, die Ausstattung für ehemalige Bundespräsidenten generell neu zu regeln. Bis dahin konnten sie sich Büroräume frei wählen - die Kosten wurden übernommen, unabhängig
von der Höhe. Dabei schlägt die Unterbringung der noch lebenden
Altbundespräsidenten Scheel, von Weizsäcker, Herzog und Köhler für
den Steuerzahler sehr unterschiedlich hoch zu Buche. Die kostspieligsten Räume unterhält Altbundespräsident Richard von Weizsäcker.
Wulff wird als erster Ex-Präsident verpflichtet, Büros des Bundestages
zu beziehen. Im Unterschied zur „Normalausstattung" wird ihm neben
einem Fahrer eine Sekretärin und eine Assistentin zur Seite gestellt,
aber kein weiterer Mitarbeiter, und damit einer weniger, als es die
personelle Ausstattung in Zukunft vorsieht. Wulff bezieht zunächst
provisorische Räume in einem Gebäude des Bundestags gegenüber der
Britischen Botschaft in Berlin. Im September zieht Wulff schließlich
in ein Bundestagsgebäude Unter den Linden um, wo auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder untergebracht ist.

    Nach der Entscheidung über den Ehrensold wird der Große Zapfenstreich für Wulff zu einer einzigen öffentlichen Demütigung. In den
Tagen vor dem Zapfenstreich, der am B. März 2012 im Park von
Schloss Bellevue stattfinden soll, kündigen verschiedene Spitzenpolitiker öffentlichkeitswirksam an, dem Zeremoniell fernbleiben zu wollen. Dabei stellt sich aber heraus, dass sie meist gar nicht eingeladen
sind: So lässt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier über die
Medien mitteilen, dass er nicht kommen werde, anschließend wird
klar, dass er überhaupt nicht auf der Einladungsliste steht. Bei der SPD
heißt es zunächst, Finanzexperte Joachim Poß werde die Partei beim
Zapfenstreich vertreten, was Poß prompt zurückweist. Aber auch er
erhält überhaupt keine Einladung. Bei der FDP meint Patrick Döring,
„Gott sei Dank" habe man als Generalsekretär andere Verpflichtungen.
Der Zapfenstreich kommt wie gerufen, um sich öffentlichkeitswirksam
von Wulff abzusetzen. Einzelne Bundestagsabgeordnete sprechen Wulff den Anspruch auf einen Zapfenstreich ab, wie der SPD-Politiker
Johannes Kahrs: „Seine Wahl, die Amtsführung und die Begleitumstände um seinen Rücktritt waren peinlich und unwürdig", sagt Kahrs.
Besonders deutlich bringt es der SPD-Chef selbst zum Ausdruck: Eine
„große Peinlichkeit" nennt Sigmar Gabriel den Zapfenstreich. „Da wird
einer, der im Amt gescheitert ist, so verabschiedet, als habe er Großes
für Deutschland geleistet." Für Schlagzeilen sorgt schließlich auch, dass
die vier Ex-Bundespräsidenten dem Zapfenstreich fernbleiben wollen.
Gleichzeitig berichten die Medien über „Massenabsagen" oder eine
„Absageflut". Zwar hagelt es tatsächlich Absagen, doch die Berichte
darüber, dass Wulff bei seinem Zapfenstreich ein totales Debakel drohe, sind übertrieben. Je näher das Ereignis rückt, desto mehr nimmt
die Berichterstattung zum Teil bizarre Züge an: So sorgt beispielsweise für Empörung, dass Wulff sich vier statt drei Lieder für seinen Zapfenstreich wünscht.

    Nachdem tagelang im Vorfeld über Zu- und Absagen berichtet wurde, veröffentlicht die Bild-Zeitung am Tag des Zapfenstreichs schließlich eine vorläufige Einladungsliste, aus der hervorgeht, wer kommen
will und wer nicht, um die Schande für Wulff öffentlich zu dokumentieren. Die Liste wird Bild aus dem Präsidialamt zugesteckt, ein Vorgang, der danach sogar noch staatsanwaltliche Ermittlungen auslöst,
um zu klären, wer im Amt die Liste herausgegeben hat. Die Ermittlungen verlaufen allerdings im Sande. Der Zapfenstreich selbst wird zum
Medienevent: Die Debatte um die Gästeliste ist letztlich vorbei, als
neben der Bundeskanzlerin fast alle
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