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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs
Autoren: Henner Kotte
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Ich rieche meinen Schweiß. Er läuft mir den Rücken hinunter, er kitzelt die Achseln. Mein Atem ist hörbar, er rauscht mir in den Ohren. Das Herz klopft. Ich sehe sie vor mir, die Zarten, die Eleganten, die Unvergleichlichen. Grazil. Makellos. Weiß. Genauso sehen die Traumfrauen im Fernsehen aus. Das schönste Gesicht des Sozialismus! Emöke und Susan. Die Girls vom Fernsehballett. Vom Friedrichstadtpalast. Und die Kati, die Witt. Sie tanzt so bezaubernd. Kati war die liebende Maria der West Side Story. Sie hat uns alle bezaubert. Mich ganz besonders. Sie hat gesiegt, unser Goldmädel!, und hat es allen gezeigt. Maria! Maria! Maria! Reporterlegende Heinz Florian Oertel kriegte sich kaum ein vor Stolz auf diese Frau: Unsere Goldmaria!
    Genau wie Kati sieht sie aus, die da oben im Zimmer. Genauso sieht sie aus, dieses Mädchen. Die Hure. Maria! Ich kann tun, was ich will, sie bleibt in meinen Gedanken. Sie verschwindet nicht, geht nicht raus. Sie bleibt mir im Kopf, ist da, bleibt da. Ah! Ich habe sie immer in mir. Immer. Sie tanzt. Sie lächelt. Sie zieht sich aus. Sie stöhnt. Ah! Ja, ich höre sie stöhnen. Überlaut. Sie schreit, in meinem Kopf schreit sie wieder und wieder. Oh! Maria! Maria! Maria!
    Ich steige Stufe um Stufe, die Treppe ist steil. Das Knarren verschluckt der Teppich. Neu gekauft, kein Jahr alt. Ornamente wie beim Kalifen. Und oben dieses Weib, sie ruft, sie brüllt nach mir. Maria! Ich komme, ich komme, schreie ich ihr lautlos entgegen. Keine Angst, wir werden unseren Spaß haben. Jetzt! Sofort! Sie lächelt nicht mehr. Sie ahnt wohl das Ende. The most beautiful sound I ever heard … Die Nadel hängt. Maria! Maria! Maria! Endlos. All the beautiful sounds of the world in a single word … Als wäre in meinem Kopf dieser Sprung. Maria! Maria!
    Maria! Ich halte dagegen. Ich gehe nicht unter. Keiner kriegt mich klein. Sie erst recht nicht. Ich habe meinen Auftritt noch einmal geprobt. I never stop saying … Sie soll ihren Spaß haben. Sie soll nicht leiden. Maria! Aber sie hat es so gewollt. Ich kann nichts dafür. Ihr Huren! Ihr Fotzen! Warum tut ihr mir das an? Mir! Oh! Maria! Maria! Maria!
    Ich werde meiner Erregung nicht Herr. Mein Schritt reibt. Ich muss mir in den Hosenschlitz fassen. Kolbendick pulsiert dieser Knorpel, mein Fleisch. Ich stelle sie mir vor. Schlafend. Frisch gewaschen. Duftend. Florena! Ich weiß, dass es schnell gehen wird. Viel zu schnell wird es vorbei sein. Viel zu schnell kommt der point of no return. Stunden müsste er dauern. Tage. Nie aufhören dürfte er. Nie. Aber auch jetzt, hier drinnen bei ihr, wird alles wie nie gewesen sein. Ich könnte weinen. Dieses Weib ist dann tot. Ah! Maria! Maria! Maria! Sie darf nicht schreien. Sie darf mich nicht erkennen. Sie muss tot sein und schweigen. Für immer tot, oh, Maria, ganz tot. Ich kann es nicht ändern. Sie hat es so gewollt. Genau so. Sie hat gesungen, sie hat getanzt, und sie hat gelacht wie die Kati. Maria! Immer wieder hat sie nach mir geschrien. Warum hat sie sich in meine Gedanken gestohlen? Warum muss sie hier bei mir schlafen, wo ich ihr nicht aus dem Weg gehen kann? Warum? I’ve just met a girl named Maria … Doch warum sonst ist sie hierhergekommen? Meinetwegen! Sie will zu mir! Nur deshalb ist sie hier. Sie will, und ich will. Ein bisschen wird ihr Tod auch mein Tod sein. The most beautiful sound I ever heard … So schön wird es nie wieder. Es ist das Ende. Der Anfang.
    Meine Hände sind feucht. Ich muss mich konzentrieren. Ich rieche den Angstschweiß durch ihre Tür. Ich schmecke ihre Haut. Sie duftet. Florena und Spee vom Bezug. Friedlich sieht sie aus, wie sie daliegt. Ich muss es tun. Es gibt keinen anderen Ausweg. Sie tut mir wirklich sehr leid. Doch das wird sie mir nicht glauben.
    Das Blut färbt das Laken, läuft in den Teppich, versickert. Aber wozu ist sie mir hier erschienen? Warum sonst schläft sie hier in unserem Haus? Maria! Maria! Maria! Meine Erregung lässt mir keine Wahl. Der Atem sticht durch meine Lunge. Meine Hose pocht, platzt. Ich schließe die Augen, ich öffne die Tür. Sie knarrt nicht mehr. Ich habe sie gestern geölt.
    Das Messer reibt an meinem Schenkel. Es gibt mir Sicherheit. Mein Puls rast. Schweiß brennt mir in den Augen. Töpfeklappern und Lachen – Geräusche dringen aus Küche und Gastraum. Drei Pils! Wodka Cola! Jeden Moment kann mich einer vor ihrer Tür entdecken. Ah! Maria! Maria! Maria! Jeden Moment kann jemand die Treppe heraufkommen. Ihr Zimmer ist dunkel.
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