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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Autoren: Michael Götschenberg
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Mitglieder der Bundesregierung
teilnehmen. Dafür sorgen ein paar Dutzend mit Vuvuzelas ausgerüstete Demonstranten am anderen Ufer der Spree für öffentlichkeitswirksame Begleitmusik, die während der gesamten Zeremonie, die live im
Fernsehen übertragen wird, deutlich zu hören ist. Obwohl sich die Zahl
der Störenfriede in Grenzen hält, ist die Wirkung enorm und ein Beispiel für die wachsende Macht der Netzgemeinde: Die Aktion wurde
spontan über Facebook organisiert. Auch wenn Christian Wulff es
vielleicht selbst nicht so empfunden haben mag, gerät der Zapfenstreich
doch zu einer beschämenden öffentlichen Demütigung.

    Der 23. März 2012 ist ein Donnerstag. Im Plenum des Deutschen
Bundestages sitzen der neue Bundespräsident Joachim Gauck, seine
Lebensgefährtin Daniela Schadt, Bettina Wulff und der ehemalige
Bundespräsident Christian Wulff auf vier Stühlen in der ersten Reihe.
Das Plenum ist voll, nur die Linke dokumentiert mit zahlreichen leeren Sitzen, dass sie diesen Bundespräsidenten nicht gewählt hat. Gauck
soll in dieser gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat
vereidigt werden. Als Bundestagspräsident Norbert Lammert die Sitzung in gewohnt launiger Weise eröffnet, sagt er, dies sei die erste und
zugleich beste Gelegenheit, zweierlei miteinander zu verbinden: „Die
guten Wünsche für das neue Staatsoberhaupt und den Dank für den
Vorgänger im Amt." Lammert ist bekannt dafür, dass er kein Blatt vor
den Mund nimmt. Am Tag der Wahl von Christian Wulff zum Bundespräsidenten hatte er Horst Köhler für seinen Rücktritt kritisiert mit
der Bemerkung, dass niemand unter Denkmalschutz stehe. Christian
Wulff atmet sichtlich kurz und schwer, als Norbert Lammert sich an
ihn wendet: „Für mich ist es auch und gerade mit Blick auf die letzten
Wochen ein Gebot der Redlichkeit wie der politischen Kultur", sagt
Lammert schließlich, „Christian Wulff nicht nur für manche nachwirkenden Initiativen und Impulse seiner Amtszeit als Bundespräsident zu danken, sondern zugleich auch für das, was er in drei Jahrzehnten politischer Arbeit für seine Heimatstadt, für Niedersachsen
und für unser Land geleistet hat". Überraschend freundliche Worte,
auf Kritik verzichtet Lammert. Wulff nimmt sie mit versteinerter Miene in sich au£
    Traditionell richtet sich der Bundestagspräsident mit seiner Rede
an den neuen Bundespräsidenten, die Würdigung des Vorgängers
übernimmt der Präsident des Bundesrats. Horst Seehofer nahm nach
dem Rücktritt Wulffs bis zur Wahl von Joachim Gauck einen Monat
lang als Bundesratspräsident kommissarisch die Rolle des Staatsoberhaupts wahr. An Seehofer ist es nun, Wulff und seiner Frau für das
Geleistete zu danken. Der Dank fällt kurz aus: „Sie haben in Ihrer Amtszeit wichtige Impulse für Zusammenhalt und Integration gesetzt,
Impulse, die bleiben werden. Sie haben immer wieder für den Dialog
der Kulturen geworben, es ging Ihnen um ein Deutschland, das offen
ist für die Vielfalt der Traditionen und Kulturen, das sich der Welt
zuwendet, um gemeinsame Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit voranzubringen", so Seehofer. In Erinnerung bleibe
Wulffs mutiges Eintreten für die Grundwerte einer offenen Gesellschaft, für Toleranz, für Religionsfreiheit, für die Menschenrechte im
In- und Ausland. Auch bei diesen Worten verzieht Wulff keine Miene,
ganz zum Schluss dankt er mit einem kurzen Nicken. Die Abgeordneten der Unionsfraktion bemühen sich, den Applaus auf eine erträgliche Länge auszudehnen, denn im Plenum können sich viele, vor allem
in den hinteren Reihen von SPD, Grünen und Linkspartei, nur langsam oder gar nicht entschließen, das Gesagte mit Beifall zu kommentieren. Seehofer dankt auch Bettina Wulff, die dem „modernen
Deutschland ein Gesicht gegeben" habe und hebt ihr soziales Engagement für Kinder hervor. Auch ihr Gesicht ist zu einer Maske erstarrt,
das Lächeln um ihre Lippen wirkt gequält.

    Die anschließende Rede nach der Vereidigung des neuen Bundespräsidenten wird von ständigem Applaus unterbrochen. Joachim Gauck
gibt das Bild eines Staatsoberhaupts, das mit rhetorischer Brillanz die
Macht des Wortes einzusetzen weiß. Er spricht über die Entwicklung
Deutschlands nach dem Krieg, über das Demokratiewunder im Westen
des Landes, über den europäischen Einigungsprozess und den Fall der
Mauer, den das Volk mutig herbeigeführt habe. Wie soll unser Land
aussehen, fragt Gauck und
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