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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Autoren: Michael Götschenberg
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gemeinsamen
Kandidaten. Zu diesem Zeitpunkt sitzt Christian Wulff in seinem
Haus in Großburgwedel. Vermutlich fühlt er sich so, als habe man in
Berlin beschlossen, die Geschichte des Jahres 2010 noch einmal neu
zu schreiben. Außerdem erlebt er mit wachsender Verzweiflung, dass
sich die Aufregung um ihn auch nach seinem Rücktritt noch immer
nicht legen will - im Gegenteil.

    Wenige Tage nach der Rücktrittserklärung ruft Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere bei Christian Wulff an und bietet
an, ihn mit einem Großen Zapfenstreich aus dem Amt zu verabschieden. Innerhalb der Bundesregierung hat man sich darauf geeinigt, dass
auch Wulff, unabhängig vom unwürdigen Ende seiner Präsidentschaft, diese militärische Ehrung zuteilwerden soll. Wulff sagt erfreut zu,
nicht zuletzt, weil die Bundeswehr ihm in seiner kurzen Amtszeit am
Herzen gelegen hat, vor allem wohl aber auch, weil er trotz der Umstände seines Rücktritts keinen Abschied zweiter Klasse will. Der Große Zapfenstreich soll nicht zuletzt deutlich machen, dass Wulff einen
Platz in der Reihe der Bundespräsidenten und sich den Anspruch auf
die entsprechende Verabschiedung erworben hat. Alle Bundespräsidenten, mit Ausnahme von Gustav Heinemann, der das nicht wollte,
sind mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet worden, auch
Wulffs Vorgänger Horst Köhler, der ebenfalls zurückgetreten ist, wenn
auch unter gänzlich anderen Vorzeichen.

    Die Wochen nach dem Rücktritt sind dominiert von einer heftigen
Diskussion über den Zapfenstreich, aber auch den Ehrensold für
Wulff, die dazu führt, dass der Ex-Präsident weiterhin nahezu täglich
in den Schlagzeilen bleibt. Zunächst war gemutmaßt worden, dass die
Entscheidung über den Ehrensold bei der Bundesregierung liege. Tatsächlich muss jedoch das Bundespräsidialamt selbst darüber entscheiden, ob Wulff der Ehrensold zusteht. Alle ehemaligen Bundespräsidenten bekommen diese Versorgung in Höhe der regulären Präsidentenbezüge aus dem Haushalt des Bundespräsidialamts. Es geht um
199.000 Euro im Jahr, bis ans Lebensende. Zahlreiche Juristen diskutieren über die Medien bis Ende Februar darüber, ob Wulff der Ehrensold nun zusteht oder nicht. Entscheidend bleibt die Frage, ob der
Rücktritt aus politischen oder gesundheitlichen Gründen erfolgt ist.
Nur in diesen beiden Fällen erlischt der Anspruch auf Ehrensold nicht.
Der noch amtierende Amtschef Lothar Hagebölling erklärt sich für
befangen. Am 29. Februar 2012 lässt das Präsidialamt die Katze aus
dem Sack und spricht Wulff den Ehrensold zu, da er aus „politischen
Gründen" zurückgetreten sei.
    Angela Merkel setzt sich persönlich dafür ein, dass die Regelung
nicht weiter infrage gestellt wird. Schon vorher hatte sich Merkel mit
SPD-Chef Sigmar Gabriel in Verbindung gesetzt und mit ihm darauf
verständigt, einen Haken hinter die Angelegenheit zu machen. Vereinzelt werden Stimmen laut, Wulff möge freiwillig auf den Ehrensold verzichten, was auch der ehemalige Bundespräsident Walter Scheel
vorschlägt. Als Vorbild für Wulff präsentieren die Medien zwischenzeitlich den ebenfalls zurückgetretenen Horst Köhler, der auf seinen
Ehrensold verzichtet habe. Das jedoch ist nicht zutreffend: Köhler
bekommt deshalb keinen Ehrensold, da dieser grundsätzlich mit anderen Versorgungsansprüchen verrechnet wird, die bei Köhler aufgrund von Ansprüchen aus früheren Ämtern einfach höher sind. Hätte Wulff auf den Ehrensold verzichtet, dafür aber einen lukrativen Job
in der Wirtschaft angenommen, so hätte das vermutlich auch Empörung hervorgerufen. Der Ehrensold hat letztlich auch den Sinn, zu
verhindern, dass sich ehemalige Staatsoberhäupter in die Vorstandsetagen von Konzernen setzen.

    Im Bundestag ist man überwiegend der Ansicht, dass es keine besondere „Lex Wulff" geben dürfe, obwohl viele die Situation durchaus
problematisch finden. „Es war ein schwer erträglicher Zustand, dass
jemand mit Ermittlungsverfahren und in dem Alter einen ,Ehren`Sold bekommen sollte", erinnert sich ein Oppositionspolitiker. Am
Ende macht der Haushaltsausschuss des Bundestages sehr schnell den
Sack zu: Nur einen Tag nach der Entscheidung des Präsidialamts
geben die Abgeordneten einstimmig ihre Zustimmung. Der Bundestag will das Thema vor allem schnell vom Tisch haben, denn wie
erwartet entzündet sich der Volkszorn an der Abfindungsregelung für
Wulff. Der ARD-Deutschlandtrend Anfang März spricht eine
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