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Der beste Tag meines Lebens

Der beste Tag meines Lebens

Titel: Der beste Tag meines Lebens
Autoren: Ashley Miller , Zack Stentz
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herum, was ihn ablenkte und frustrierte. Er spürte, wie sein Herz hämmerte und kalter Schweiß auf seine Stirn trat. Das Feuer in ihm flammte wieder auf und wuchs.
    Zwischen zwei Atemzügen presste Colin die Worte heraus: »Eine Identitätsmatrix ist …«
    Eine Kakophonie von Geräuschen übertönte den Rest seines Satzes. Wieder das Handy. Laut und schrill. Ununterbrochen. Keine Musik. Kein Klingeln. Nichts Gefälliges – nur Lärm.
    Colin legte sich die Hände auf die Ohren, um sich davor zu schützen. Nur ganz am Rande bekam er noch mit, wie Mr. Gates zwischen den Bänken hindurch nach hinten stürmte. Er kniff keuchend die Augen zu, während der Rest der Klasse lachte und auf ihn deutete. Vergeblich suchte Mr. Gates nach der Geräuschquelle. Das alles zusammen war mehr, als Colin ertragen konnte, also tat er das, wovon er wusste, es würde den Lärm übertönen.
    Colin bellte wie ein Hund. Laut und immer lauter, so konzentriert, dass er nicht mitbekam, wie Mr. Gates das schreckliche Telefon endlich entdeckt und ausgemacht hatte. Er bemerkte auch nicht, dass alle im Raum ihn anstarrten. Er sah nicht den vor Lachen weit aufgerissenen Mund Rudy Moores, der zu den toten Augen sein Haifischgebiss aufblitzen ließ.
    Aber vor allem registrierte er nicht, wie er selbst zu Boden ging. Zusammengerollt, mit den Händen auf den Ohren und immer weiter bellend, während Mr. Gates im Sekretariat anrief und um Hilfe bat.
    ***
    Es war nicht Colins erster Besuch bei Dr. Doran, der Schuldirektorin. Drei Wochen vor Schulbeginn war er erstmals bei ihr gewesen. Gemeinsam mit seinen Eltern hatten sie seine besonderen Bedürfnisse besprochen, vor allem weil er fortan ohne Marie auskommen musste. Dr. Doran war neu an der West Valley Highschool und brachte neue Vorstellungen davon mit, wie man die Dinge angehen sollte. Sie schien an Colins Fall interessiert und entschlossen, seine Integration zu fördern; seine besonderen Bedürfnisse sollten Vorrang vor den Wünschen des Kollegiums haben.
    Bei dem Termin hatte hauptsächlich Colins Mutter geredet. Sein Vater stellte viele Fragen, und Colin sagte gar nichts. Er sah sich stattdessen in dieser einen Stunde das Büro von Dr. Doran genau an und unterzog alles, was er sah, eingehender Prüfung.
    In sein Notizbuch schrieb Colin:
     
    Dr. Dorans Büro: sauber, gut aufgeräumt. In dem Regal hinter ihr Bücher über Erziehung und Kinderpsychologie. Auf manchen Seiten stehen Post-it-Zettel heraus. Außerdem sichtbar: Bücher über Management, Organisationsstrukturen – Taschenbücher mit Eselsohren. Sie liest gern. Auf ihrem Schreibtisch stehen Bilder von Dr. Doran und ihrer Familie. Auf einem sieht man sie lächelnd mit einem Mann und einem kleinen Jungen, vielleicht drei Jahre alt – Ehemann und Sohn? Das Bild dürfte etwa zehn Jahre alt sein. Auf den neueren Fotos sind nur Dr. Doran und der Mann zu sehen. Es gibt keine weiteren Bilder von dem Jungen auf dem ersten Foto. Auf den neueren lächelt sie nicht mehr.
     
    Colin hatte nur neun Wörter zu Dr. Doran gesagt, und die hob er sich bis zum Ende des Termins auf: »Frau Dr. Doran«, sagte er, »Ihr Verlust tut mir sehr leid.«
    Auch diesmal sprach Colin in Dr. Dorans Gegenwart nur sehr wenig. Sie hatte sich auf ihrem Stuhl zurückgelehnt und musterte ihn über ihre unter dem Kinn verschränkten Hände hinweg. Das Handy, das Mr. Gates schließlich doch entdeckt hatte, lag vor ihr auf dem Schreibtisch. Colin schaute auf seine Füße.
    »Ich weiß, dass es nicht deine Schuld war«, sagte Dr. Doran mit gleichmütiger Stimme. »Aber ich mache dich dafür verantwortlich, wie du auf Dinge reagierst, die dich quälen. Verstehst du das?«
    Colin nickte. Er lieferte keine Erklärung, weil es ja auch keine gab.
    »Falls so etwas in Zukunft noch einmal vorkommt, dann bittest du die Lehrkraft, das Klassenzimmer kurz verlassen zu dürfen. Wenn du möchtest, kannst du auch hier zu mir kommen, bis du dich wieder besser fühlst.«
    Colin sah sie an. »Und wenn die Lehrkraft ›nein‹ sagt?«
    »Deine Lehrkraft wird nicht ›nein‹ sagen.« Es war ihr ernst. Das merkte Colin. Er vertraute ihr.
    »Ich will mich klar ausdrücken«, fuhr sie fort. »Beim nächsten derartigen Vorfall werde ich dich genauso behandeln wie jeden anderen Schüler hier. Hast du das verstanden?«
    Colin nickte wieder.
    »Dann kannst du jetzt gehen.«
    Colin stand auf, warf sich seinen Rucksack über die Schulter und wandte sich zum Gehen. Schon an der Tür blieb
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