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Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Titel: Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Zwerghafte, die 28

    Polizisten warteten, legten die Maschinenpistolen an, an deren Mündung etwas befestigt war, offenbar Schalldämpfer, warteten, der Offizier hatte seinen Säbel wieder gesenkt, der Zwerghafte rauchte, schien endlos zu rauchen, die Polizisten wurden unruhig, der Offizier riß seinen Säbel wieder hoch, die Polizisten zielten aufs neue, ein dumpfes Geräusch, der Zwerghafte griff mit den gefesselten Händen nach der Zigarette, ließ sie fallen, trat sie aus, stürzte dann in sich zusammen, während die Polizisten die Maschinenpistolen wieder gesenkt hielten, lag unbeweglich am Boden, während Blut aus ihm floß, überall, gegen die Mitte des Hofes zu, wo sich ein Abflußgitter befand und der Untersuchungsrichter sagte von seinem Guckloch zurücktretend, der Skandinavier habe gestanden, er sei der Mörder, leider sei der Polizeichef voreilig, es tue ihm leid, aber die Entrüstung im Lande – na ja –, und wieder ging es zurück, durch den schmalen Gang, durch die Eisentür, wieder durch die Korridore, doch jetzt durch andere, Treppen hinauf und hinab, dann ein Vorführraum, in ihm saß schon der Polizeichef, sesselfüllend, gnädig, animiert von der Hinrichtung, parfüm-durchtränkte Bäche schwitzend, Zigaretten rauchend wie jene, die er dem Zwerghaften angeboten hatte, an dessen Geständnis weder die F. noch ihr Team, noch offenbar der Untersuchungsrichter glaubten, der sich nach einem erneuten »na ja« diskret zurückgezogen hatte, auf der Leinwand die Al-Hakim-Ruine, die Fahrzeuge, die Fernsehteams, die Polizisten, die vier Motorradfahrenden, die Ankunft der F. mit ihrem Team, der Kameramann den blöde lächelnden Assistenten unterweisend, der Tonmeister an seinen Geräten hantierend, dazwischen die Wüste, ein Polizist auf einem Kamel, der Jeep, der Fahrer im Turban am Steuer, die F. endlich irgendwohin starrend aber nicht wohin sie starrte, nach der Reihe der kauernden Gestalten am Fuß der Ruine, nach diesen fliegenbedeckten menschenähn-lichen Wesen, halb im Sand versunken, über deren schwarze 29

    Mäntel der Sand strich, kein Bild von denen, bloß wieder Polizisten, dann ihre Ausbildung, in Schulzimmern, beim Sport, in den Schlafsälen, beim Zähneputzen unter der Mas-sendusche, alles beklatscht vom weißen Göring, der Film sei großartig, gratuliere, um dann auf den Protest der F., es sei nicht ihr Film, erstaunt zu fragen, »wirklich?«, um gleich auch die Antwort zu geben, nun da werde das Material unbrauchbar gewesen sein, kein Wunder in der Wüstensonne, aber das Verbrechen sei jetzt ja aufgeklärt, der Täter exekutiert und er wünsche ihr eine angenehme Heimreise, worauf er sich erhob, huldvoll grüßte »lebe wohl, mein Kind« (was die F. besonders ärgerte) und den Raum verließ.

    10

    Wieder im Freien wurden sie vom Polizisten mit dem Turban erwartet, der am Steuer seines Jeeps ihnen spöttisch entgegen-blickte, während hinter ihm die Touristen den weiten Platz zwischen dem Polizeiministerium und der großen Moschee füllten, von Kindern belagert, die ihnen die Hände aufrissen in der Hoffnung Geld zu finden, umkläfft von einer durch Laut-sprecher übertragenen Predigt, die aus der Moschee drang, umtutet von Taxis und Reisebussen, die durch die Menge einen Weg suchten, durch ein Völkerdickicht von einander knipsen-den und filmenden Ferienreisenden, das einen unwirklichen Kontrast zu den Vorgängen bildete, die sich im weiß getünch-ten Gebäudekomplex des Polizeiministeriums abgespielt hatten als ob sich zwei Wirklichkeiten durcheinanderschöben, eine unheimliche, grausame und eine touristisch banale, und als der Polizist mit dem Turban die F. noch auf französisch ansprach, was er doch vorher nicht gesprochen hatte, war es ihr zuviel: 30

    sie trennte sich von ihrem Team, sie wollte allein sein, sie fühlte sich mitschuldig am Tod des kleinen Skandinaviers, die Exekution war nur unternommen worden, um sie an weiteren Nachforschungen zu hindern, sie sah immer wieder das faltige Gesicht mit der Zigarette zwischen den schmalen Lippen vor sich, dann die fliegenbedeckten Schädel der schwarzen Gestalten an der Al-Hakim-Ruine, es war ihr als sei sie in einen Alptraum geraten, der kein Ende nehmen wollte, seit sie dieses Land betreten hatte, auch war sie zum ersten Mal in ihrem Leben gescheitert, wollte sie weitermachen gefährdete sie nicht nur ihr Leben, sondern auch das ihres Teams, der Polizeichef war gefährlich, er würde vor nichts zurückschrecken, hinter dem Tod von
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