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Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Titel: Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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verfluchte Land verlassen zu können, die Männer, die sie verhört hätten, seien gefoltert gewesen und deshalb ohne Zähne, und die Erschießung des Zwergs, er habe in seinem Zimmer eine Stunde lang gekotzt, sie seien alle Narren, sich in die Politik des Landes zu mischen, seine Befürchtungen hätten sich bestätigt, hier seien Recherchen, welche diesen Namen verdienten, nicht nur unmöglich, sondern auch lebensgefährlich, was ihm nichts ausmachen würde, wenn er die geringste 33

    Chance für ihr Vorhaben sähe, und dann, sich wieder in den Sessel werfend, fügte er bei, offengestanden sei das ganze Projekt derart unklar, ja konfus, daß er auch der F. rate, das Projekt aufzugeben, gut, sie habe einen roten Pelzmantel auf getrieben, aber ob sie auch sicher sei, daß dieser der Lambert gehört habe, worauf die F. gereizt antwortete, sie habe noch nie etwas aufgegeben, und als der Tonmeister, der nichts so sehr liebte wie den Frieden, noch meinte, es sei vielleicht doch besser, daß sie mit ihnen käme, gewisse Tatsachen hätten die Eigenschaft, nie ans Tageslicht zu kommen, ging sie grußlos auf ihr Zimmer, um dort freilich in der Türe stehenzubleiben, saß doch im Lehnstuhl unter der Stehlampe der sanfte Schönling mit der randlosen Brille, der Untersuchungsrichter, der die ihn stumm Betrachtende ebenfalls stumm betrachtete, darauf mit der Hand auf den zweiten Lehnstuhl wies, in den sich die F. mechanisch setzte, weil es ihr schien als ob beim Schönling hinter dem Weichen, Sentimentalen etwas Hartes, Entschlossenes, bis jetzt Verstecktes zum Vorschein komme, auch war seine Sprache, die vorher vage und ausschweifend gewesen war, wie er nun zu reden begann und ihr gratulierte, daß sie Tina von Lamberts Mantel aufgetrieben, nun hart, sachlich und oft spöttisch wie die eines Mannes, der sich freut, jemand hinters Licht geführt zu haben, weshalb sie nur stumm nicken konnte, als er ihr eröffnete, er sei gekommen, ihr für das Material zu danken, das sie gefilmt habe, es sei hervorragend, die schwarzen Heiligen und die Hinrichtung des Dänen großartig für seinen Zweck geeignet, und als sie fragte, was denn seine Absicht sei, antwortete er ruhig, im übrigen habe er sich erlaubt in den Kühlschrank neben die hier üblichen Fruchtsäfte, Limonaden und Mineralwasser eine Flasche Chablis stellen zu lassen, und neben dem Kühlschrank sei eine Flasche Whisky, und als sie sagte, sie ziehe Whisky vor, sagte er, das habe er gedacht, Nüsse seien auch vorhanden, stand auf, hantierte am 34

    Kühlschrank, kam mit zwei Gläsern mit Whisky zurück, Eis und Nüssen, stellte sich vor, er sei der Chef des Geheimdienstes und über ihre Gewohnheiten im Bilde, sie solle ihm sein Geschwätz im Ministerium verzeihen, der Polizeichef hätte seine Wanzen überall, er die seinen übrigens auch, jederzeit könne er abhören, was der Polizeichef abhöre, und dann berichtete er mit knappen Worten über die Absicht des Polizeichefs, die Macht im Lande zu übernehmen, außenpolitisch den Kurs zu ändern, die Ermordung Tinas einem fremden Geheimdienst zuzuschieben, darum die Erschießung des Skandinaviers, aber der Polizeichef wisse nicht, daß diese gefilmt worden sei, er wisse auch nicht, daß er von ihm, dem Chef des Geheimdienstes, beobachtet werde, ja der Polizeichef wisse nicht einmal, wer der Chef des Geheimdienstes sei, dem Polizeichef gehe es darum, als der starke Mann zu erscheinen, der über die Polizei wie über eine Privatarmee verfüge, damit, wenn er die Macht im Lande übernommen, diese als gesichert erscheine, ihm dagegen, dem Chef des Geheimdienstes, gehe es darum, den Polizeichef bloßzustellen, zu zeigen, wie dieser die Polizei korrumpiert habe und daß dessen Macht unsicher, labil und schon am zerfallen sei, doch vor allem gehe es darum, anhand des Verbrechens an Tina von Lambert dessen Unfähig-keit nachzuweisen, weshalb er denn alles unternommen habe, ihr weitere Nachforschungen zu ermöglichen, freilich mit einem neuen Team, das er ihr zur Verfügung stelle, der Polizeichef dürfe nicht mißtrauisch werden, ihr altes Team reise ab, er, der Chef des Geheimdienstes, habe jede Vorkehrung getroffen, die notwendigen Männer instruiert, das Hotelpersonal agiere in seinem Auftrag, eine ihm befreundete Person werde ihre Rolle übernehmen, bitte sehr, und damit öffnete er die Türe und eine junge Frau trat ein, gekleidet wie die F. in einen Jeansanzug, einen roten Pelzmantel über die Schulter gehängt, der genau so
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