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Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Titel: Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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geschnitten war wie jener der Tina von Lambert, 35

    ein Umstand, der die F. mißtrauisch machte, weshalb sie fragte, ob die Bitte, sie solle dem Schicksal der unglücklichen Tina von Lambert weiter nachgehen, nicht vielmehr ein Befehl sei, eine Frage auf die sie die Antwort erhielt, daß sie es sei, die den Auftrag von Lamberts angenommen habe und er, der Chef des Geheimdienstes, es als seine Pflicht erachte, ihr dabei behilflich zu sein, dann fügte er noch bei, er lasse die F. anderswo unterbringen, sie habe nichts zu befürchten, sie sei von nun an unter seinem Schutz aber es wäre gut, wenn sie ihr Team informieren würde, in ihrem eigenen Interesse nur so weit als gerade noch nötig und damit verabschiedete er sich, die junge Frau hinausführend, die mit der F. nur insofern eine gewisse Ähnlichkeit aufwies, als, von weitem gesehen, eine Verwechslung nicht auszuschließen war.

    12

    Der Kameramann war schon im Bett, als die F. anrief, er kam im Schlafanzug in ihr Zimmer, wo sie ihren Koffer packte, und hörte sich ihren Bericht schweigend an, wobei sie nichts verschwieg, auch nicht den Rat des Chefs des Geheimdienstes, dem Team nur das Nötigste mitzuteilen, doch erst als sie geendet hatte, schenkte er sich einen Whisky ein, vergaß aber zu trinken, dachte nach und sagte endlich, die F. sei in eine Falle gegangen, Tina von Lamberts roter Pelzmantel sei nicht von ungefähr in die Altstadt zu einem blinden Verkäufer gekommen, der rote Pelzmantel sei der Köder gewesen, es gebe sehr wenige solcher Mäntel, vielleicht nur einen, daß jetzt eine Frau mit einem zweiten auftauchen könne, weise auf eine sorgfältige Planung hin, man hätte damit gerechnet, daß die F.
    in die Altstadt gehe, ein roter Pelzmantel zwischen billigen 36

    Röcken hängend falle auf und einen zweiten für eine Doppel-gängerin herzustellen brauche Zeit, daß der Chef des Geheimdienstes den Polizeichef unschädlich machen wolle, leuchte ihm ein, aber wozu er dafür die F. brauche, begreife er nicht, wozu so viel Umstände, da sei noch etwas anderes im Spiele, Tina von Lambert sei nicht aus bloßer Laune in dieses Land gekommen, sondern aus einem bestimmten Grund, der auch mit ihrem Tod zu tun habe, das Buch von Lamberts über den Terrorismus habe er gelesen, den arabischen Widerstands-kämpfern widme er zwei Seiten, er wehre sich dagegen, sie Terroristen zu nennen, wobei er freilich betone, daß auch Nichtterroristen zu Verbrechen fähig seien, Auschwitz zum Beispiel sei nicht das Werk von Terroristen, sondern von Beamten gewesen, es sei ausgeschlossen, daß deswegen von Lamberts Frau ermordet worden sei, auch der Chef des Geheimdienstes verschweige ihr das Wesentliche, sie sei ihm ins offene Messer gelaufen und könne nicht mehr zurück, aber es sei unvorsichtig von ihr gewesen, ihn, den Kameramann, einzuweihen, überhaupt würde es ihn wundern, wenn der Chef des Geheimdienstes ihr Team ziehen lasse, sie solle ihnen das Glück wünschen, das er ihr wünsche, damit umarmte er sie und ging, ohne den Whisky berührt zu haben, was er noch nie getan hatte, und der F. war es plötzlich, als ob sie ihn nie mehr sehen würde, wieder dachte sie an das Atelier zurück, sie war nun sicher, die Schritte hinter ihr seien Frauenschritte gewesen, trank wütend das Glas Whisky leer und packte weiter, schloß den Koffer und wurde, den roten Pelzmantel über ihrem Jeansanzug, durch den Hinterausgang des Hotels von einem Pagen, der so aussah, als sei er keiner und ihr den Koffer trug, zu einem Landrover gebracht, wo zwei Männer im Burnus sie erwarteten, sie aus der Stadt zuerst über die Staatsstraße, dann auf einem staubigen Weg über einen abenteuerlichen Paß, soviel sie in der mondlosen Nacht erkennen konnte, an Schnee-37

    flächen und Geröllhalden vorbei, Schluchten hinab und hinauf, in die Berge zu einem unbestimmbar durch die anbrechende Morgendämmerung schimmerndes Gemäuer brachten, das sich, als sie aus dem Landrover stiegen, als ein verwittertes zweistöckiges Gebäude erwies, mit der Inschrift GRAND-HÔTEL
    MARÉCHAL LYAUTEY über der Eingangstüre, die im eisigen Winde auf- und zuschlug, in welchem ihr von einem der Männer – da im Parterre, spärlich erleuchtet von einer Glühbirne, auf sein Rufen niemand erschien – im ersten Stock ein Zimmer zugewiesen wurde, indem er dort kurzerhand eine Türe geöffnet, sie hineingeschoben und den Koffer auf den hölzernen Zimmerboden gestellt hatte, worauf sie, verblüfft über die rüde
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