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Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Titel: Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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eins mit den schwarzen Quadern des Kubus, ein Gewächs an einer seiner Flanken, Mumien gleich, lange weiße strähnige sand-verkrustete Barte, die Augen unsichtbar in tiefen Höhlen, dicht mit Fliegen bedeckt, die überall auf ihnen herumkrochen, die Hände ineinandergekrallt mit langen Fingernägeln, die ihre Handteller durchbohrten, und nun einen von ihnen vorsichtig berührte, um vielleicht doch eine Auskunft zu erlangen, fiel dieser um, er war eine Leiche, auch der nächste, hinter ihr surrten die Kameras, erst beim dritten hatte sie den Eindruck, er sei noch am Leben, doch gab sie auf, nur ihr Kameramann schritt die Reihe ab, seinen Apparat an sein Auge gepreßt, und als sie den Vorfall dem Polizeioffizier meldete, der bei seinem Wagen geblieben war, meinte dieser, die Schakale würden den Rest besorgen, auch die Leiche Tinas sei zerrissen aufgefunden worden, und in diesem Augenblick setzte die Dämmerung ein, die Sonne mußte hinter der Mulde untergegangen sein, und der F. schien es, die Nacht falle sie an wie ein gnädiger Feind, der schnell tötet.
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    Auch am nächsten Tag war die Rückkehr nicht möglich, noch bevor die F. den Rückflug hatte buchen können, machte der Kameramann ihr Vorhaben mit der Meldung zunichte, ihm sei das abgedrehte Material abhanden gekommen, die Rollen seien vertauscht worden, die Fernsehleute beteuerten, es sei sein Material, der Kameramann verlangte wütend, dann sollten die Rollen entwickelt werden, damit man es feststellen könne, was man ihm für den Abend versprach, zu einem Zeitpunkt also, der die Abreise unmöglich machte und schon waren sie wieder von der Polizei verschleppt und dies in einer Weise, die es klüger erscheinen ließ, so zu tun, als mache man mit, wurden ihnen doch in den unterirdischen Anlagen des Polizeiministeriums Menschen vorgeführt, mit denen die F. zwar sprechen und die sie filmen durfte, Männer, die, betraten sie den Raum, von ihren Handschellen befreit wurden, denen aber, hatten sie auf dem Schemel Platz genommen, ein Polizist seine Maschinenpistole in den Rücken drückte, wobei es sich um schlecht rasierte Individuen handelte, denen Zähne fehlten, die gierig mit zittrigen Händen nach der Zigarette griffen, die ihnen die F.
    anbot, und nach kurzem Blick auf Tinas Foto und auf die Frage, ob sie diese Frau gesehen hätten, nickten und auf die Frage wo, leise antworteten, im Ghetto, alle in schmutzigen weißen Leinenhosen und -kittein, ohne Hemd, wie uniformiert und immer mit der gleichen Antwort: im Ghetto, im Ghetto, im Ghetto und dann erzählte jeder, man hätte versucht ihn anzu-heuern, die Frau umzubringen, deren Foto ihm gezeigt wurde, es handle sich um die Gattin eines Mannes, der die arabische Widerstandsbewegung verteidigt und sie nicht als Terrororga-nisation bezeichnet habe oder so was Ähnliches, er sei nicht klug daraus geworden, warum die Frau dafür hätte sterben sollen, er habe das Angebot abgelehnt, die Summe sei zu 25

    schäbig gewesen, in seinen Kreisen seien die Tarife geregelt, Ehrensache, der Mann, der das Angebot gemacht habe, sei klein und dick gewesen, Amerikaner wahrscheinlich oder – er wisse nichts Näheres, die Frau habe er nur einmal gesehen, in dessen Begleitung, im Ghetto, er habe es schon gesagt, ähnliche Aussagen machten alle anderen, mechanisch, gierig die Zigarette rauchend, nur einer grinste, als er das Foto sah, blies der F. Rauch ins Gesicht, er war fast zwerghaft, mit einem großen faltigen Gesicht, sprach Englisch wie etwa Skandinavier Englisch sprechen, sagte, er habe diese Frau nie gesehen, keiner habe diese Frau gesehen, worauf der Polizist ihn hoch-riß, ihn mit der Maschinenpistole in den Rücken schlug, doch schon war ein Offizier da, herrschte den Polizisten an, plötzlich waren andere Polizisten im Raum, der mit dem großen faltigen Gesicht wurde hinausgeführt, ein neuer Häftling wurde von außen hereingeschoben, saß da im Licht der Scheinwerfer, wieder Klappe, das Surren der Kamera, nahm mit zittrigen Händen eine Zigarette, schaute auf das Foto, erzählte die selbe Geschichte wie die anderen, mit unwesentlichen Varianten, manchmal undeutlich wie die andern, weil auch er wie die andern fast keine Zähne besaß, dann kam der nächste, dann der letzte, worauf sie vom kahlen Betonraum, wo sie die Männer vernommen hatten, worin sich nur ein wackliger Tisch, ein Scheinwerfer und einige Stühle befanden, durch die unterirdische Gefängniswelt, an Eisengittern vorbei, hinter denen in den
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