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Der Aufstand Der Ungenießbaren

Der Aufstand Der Ungenießbaren

Titel: Der Aufstand Der Ungenießbaren
Autoren: Edo Popovic
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so empfinden sie sich als lebendig. Sie werden fallen, wenn wir aufhören, diesen ganzen Quatsch zu kaufen, den sie produzieren und verkaufen. Vielleicht ist der Weg der Dunklen Kapuzen wirklich der einzig mögliche Weg.
    Aber vielleicht könnten wir, sagt Gärtner, einen Ort finden, an dem es keine von diesen Zecken gibt.
    Stell dich nicht blöd, so einen Ort gibt es nicht.
    Wie sollen wir das wissen, wenn wir nicht danach suchen.

Zwanzigstes Kapitel
    Gedichtverkäufer – Der Bruch mit der Witwe – Der Teekessel von Antonio Machado – Gärtners Gesicht – Abschied
    Ich werde in Madrid bleiben. Obwohl ihre Skulpturen hässlich sind, wird hier noch immer die Poesie geschätzt, und sie töten keine Dichter, und die Stadt ist voller Schwalben.
    Es gibt einen Alten hier, jeden Tag kommt er auf den Markt auf der Calle de Santa Isabel und breitet eine Bastmatte auf dem Bürgersteig aus, auf die er Bücher und CDs mit Zarzuelas, spanischen Operetten, reiht. Unter den Büchern befindet sich auch eine englische Übersetzung ausgewählter Gedichte von Machado, »The Road Is Made By Walking«, jenes Buch, das Fraktalfrau immer in ihrem Rucksack mitschleppte, als wir uns kennenlernten. Aus unerfindlichen Gründen verlangt der Alte ausgerechnet für dieses Buch schwindelerregende fünfzig Euro, während der Preis der anderen Bücher ganz anständig ist, je drei bis vier Euro. Ich wünsche mir dieses Buch, aber nicht so sehr, dass ich bereit wäre, fünf Tageslöhne springen zu lassen. Ich habe versucht zu handeln, aber der Alte wollte nichts davon hören. Mehr noch, als ich am nächsten Tag zu ihm kam, stopfte er das Buch in eine Ledertasche und sagte, dass dieses Buch für mich nicht zu haben sei.
    Meinen Sie nicht, dass der Preis zu hoch ist?
    Poesie kann nicht in Zahlen und in Geld bemessen werden, antwortete er. Wer sich mit Zahlen beschäftigen möchte und handeln will, soll etwas anderes lesen.
    Ich erzählte Wang davon und fragte ihn, was er davon halte, aber er lachte nur und winkte ab. Wang und ich unterhalten uns häufig. Pidgin-Englisch eignet sich eigentlich nicht für lange, inhaltsvolle Gespräche, und deshalb schaltet er schnell auf Chinesisch und ich auf Kroatisch um. Dann werden die Gespräche angenehm, interessant und dauern lange. Ich verstehe kein Wort, das er sagt, auch er versteht nichts von dem, was ich sage, und alles ist in bester Ordnung. Es gibt keine Probleme und Missverständnisse. Romain Gary, ein französische Autor, der ebenfalls in der Holding verboten ist, behauptet, dass Menschen und Völker sich nicht deshalb gegenseitig die Köpfe einschlagen, weil sie sich nicht verstünden, sondern gerade deshalb, weil sie sich sehr wohl verstünden. Was Wang und mich betrifft, werden wir bis zu unserem Tod in Frieden und Eintracht leben, wenn wir unseren Chinesisch-Kroatischen Dialog fortsetzen.
    Ich werde noch eine Zeit lang in Madrid bleiben.
    Ich habe gestern die Witwe per E-Mail benachrichtigt, dass unsere Vereinbarung nicht mehr gültig ist. Früher oder später hätte sie sie selbst aufgekündigt. Ihr Hass kann nicht ewig lodern. Irgendwann einmal wird sie sich mit sich selbst und der Welt aussöhnen müssen. Ich kann nicht behaupten, dass sie nicht großzügig war, aber ich war auch nicht so unergiebig wie meine Vorgänger, ich habe genug Geld für fünf, sechs Monate ruhigen Lebens auf meinem Konto. Später wird mir schon etwas einfallen. Vielleicht erhöht Wang mein Gehalt, vielleicht könnten wir Partner werden, wer weiß.
    Ich genieße meine Arbeit. Ich ordne die Waren in die Regale, ich fege den Bürgersteig, ich putze das Schaufenster, unterhalte mich mit Kunden, ich trinke in der Dämmerung eines weiteren Tages Tee mit Wang. Ich bin zufrieden. Gestern hat mich Wang sogar zum Mittagessen eingeladen, arroz basmati especial de la India, das billigste, was man in dem kleinen Restaurant gegenüber bekommen kann, aber immerhin.
    Am Freitag habe ich frei genommen und bin nach Segovia gefahren. Ich war früher im Museum von Antonio Machado, als es vereinbart war. Ich ging durch die Räume und versuchte, die Anwesenheit des einstigen Bewohners zu erspüren. Vergeblich. Das Bett im Schlafzimmer ist gemacht, in der Garderobe hängt keine Kleidung, auf der Kommode eine leere Schachtel aus Bast. Auf der Kredenz im Esszimmer eine Obstschale aus Keramik, eine Flasche und kleine Gläser, in der Küche steht ein eiserner Teekessel auf dem Herd, der in weiße Kacheln eingefasst ist. Bücher in Vitrinen,
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